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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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ein wackliges Schlagzeug.
    Es ging eben nicht. Verheiratet sein mit Frau und Kind, ordentliche Arbeit, das hätte am Ende noch den Merkelbachs dieser Welt gefallen. Jürgen trommelte wieder und füllte den Schwiegermutter-Keller, sehr zu deren Entsetzen, mit Raumklang. Und es konnte wieder losgehen. Rainer Marz machte eine Soloplatte mit dem Kollegen George Eperjessy, der gerade mit der kompletten Band „The Beatmen“ 1968 aus der Tschechoslowakei in den Westen geflüchtet war. Sie fragten Jürgen, ob er Schlagzeug spielen wolle, und natürlich wollte er. Der Produzent war Peter Hauke, aufgenommen wurde im Dierks-Studio in Köln. Das war damals noch ein kleiner Aufnahmeraum, ein Regieraum, und der Rest spielte sich bei der Mutter Dierks im Wohnzimmer ab. Vorm Goldfischaquarium gab es immer Käsebrötchen. Peter Hauke befand nach drei Tagen, dass Jürgens Drumming zu wünschen übrig ließ und holte sich einen Rundfunk-Trommler. Jürgen fand, dass des Produzenten Durchblick zu wünschen übrig ließ, und beschloss, es ihm zu zeigen, dann, später, irgendwann.
    Dann fuhr er auch wieder weg, immer öfter, immer weiter, zum Entsetzen seiner Frau. Von Bad Soden in die große Welt! Na ja, die mittelgroße. Er lieh sich vom Bruder den kleinen hässlichen viertürigen Simca, packte Trommeln und Becken rein und dann ging es ab ins
Big Valley,
ein Laden, der seltsamerweise einen Hügel im Vogelsberg krönte, in einem Kaff namens Radmühl. Mitten im Nichts mit einer Spitzenaussicht ins Nirgends. Dort wurden die Männer, denen Jürgen sich angeschlossen hatte, bald zu einer Art Hausband. Die Brüder Rainer Marz und Erhard Marz waren wieder mal dabei, und auch George Eperjessy war mit von der Partie. Rein ging es in den großen Saal, der dem „Eierschleich“ gehörte, der ein Multitalent war: Ein Kerl, der mit einem Wägelchen über die Dörfer zog und Eier verkaufte. Wenn die Musik spielte, setzt er seine Töchter an die Kasse des Saals, und während sie kassierten, vertilgten die Herren Musiker ein ritualisiertes ländliches Schnitzel in der Größe eines Handtuchs mit Maggisößchen. Die Musik, die die gesättigten Herren dann anschließend zu Gehör brachten, sollte eher luftig sein: Doobie Brothers, Traffic, Chicago, Neil Young. Und Steely Dan. Oh, letzteres klang gelegentlich nicht so luftig wie von den Komponisten vorgedacht (dank der Monsterschnitzel?). Egal. Es war wieder etwas in Bewegung gekommen. Jürgen’s on the road again.
    Daheim zerbröselte die Ehe, aber er war ja nie daheim. Wenn der Trommler nicht vom großen Hügel ins Tal hinunterlärmte, fand man ihn in Frankfurter Proberäumen. Meistens waren das umfunktionierte Luftschutz-Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. „Wer kommt denn heute?“ „Keine Ahnung, mal sehen“ Runter die Treppe, und noch eine Treppe, und dann standen sie vor einer riesigen grauen Stahltür. Und hörten noch den Nachhall des letzten Bombenalarms. Auf den riesengroßen Griffen stand der Untertitel dazu in Sütterlin:
Ruhe bewahren!
Von wegen. Da kam Mike Müller, eine richtige Frankfurter Koryphäe. Er sang, er brüllte, er spielte Harp. Und wenn er den Blues hatte, nervte er. „Kräh-Mike“ konnte aber eins ziemlich gut: Gigs besorgen und Action machen, wenn er dann mal festen Bühnenboden unter den Füßen hatte. Vielleicht wird ja mal eine richtige Band draus, dachte sich Jürgen in einer Spielpause. Ruhe bewahren! Nichts da, genüssliches Stöhnen drang von nebenan durch die dicke Mauer. Neben dran war Dr. Müllers Sex-Boutique, und die hatte ein schnuckeliges Pornokino in Betrieb, dass es gerade so spritzte. Eines Abends ging die Ruhe-Bewahren-Tür auf, ein langhaariger Mensch betrat die Probehöhle. Gut, das fiel eher weniger auf. Aber er hatte was und konnte was und Jürgen fragte: „Wer bist denn du?“ Christian Felke heiße er, sagte er, dann spielte er ein paar Stunden Bass in einer endlosen Jam-Session. „Eigentlich bin ich ja Saxophonist.“ Von diesem Moment an liefen sich die beiden öfter über den Weg, irgendwo im Bermuda-Dreieck zwischen Sinkkasten und Aquarius. Vielleicht ein grober Fehler.
    Rosenmontag 1972, es klingelte. Jürgen war platt, hatte Grippe, voll mit Medikamenten lag er wie toter Fisch im Bett. Aber es klingelte Sturm. Er quälte sich frierend und schimpfend aus dem Bett. „Welcher Idiot …“ Ausgerechnet dieser Christian Felke steckte seinen Kopf durch die Tür, im Schlepptau Jojo Corvinus, einen Pfarrerssohn aus Frankfurt, der Keyboards

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