Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
Vom Netzwerk:
Meter neben Jürgens Kopf krachte eine Kugel in die Hauswand. Schlotternd sprang er zu seinen Gangsterfreunden ins Auto, der Fahrer gab Vollgas, den Blick immer an den Rückspiegel geheftet. Doch es erschien keine Polizei, es tauchte kein Porsche auf. Man erreichte Bad Soden unbehelligt und in einem Stück. Eine Stunde später war das Haus umstellt. Es war nicht das erste Mal – und nicht das letzte.
    Jürgen veranstaltete in diesen Wochen und Monaten seine ganz persönlichen südhessischen Chaostage. Im
Top Cat
hatte er die Frau kennen gelernt, die er nun heiraten würde. Sie war schwanger. Bevor sie heirateten, wohnte er in Erlensee-Langendiebach bei einem Freund in einem großen Zimmer und verdiente ein paar Mark an der Tankstelle von dessen Onkel. Jetzt schnell heiraten, irgendwie würde das alles schon hinhauen, das war die nicht ganz ausgereifte Idee. Wirklich? Die Hochzeitsnacht verbrachten die frisch Getrauten im
Top Cat.
„Keine Bewegung“. Morgens um sieben wurde die Tür aufgetreten, zwei Polizisten zeigten mit ihren Waffen in den Raum und stellten kluge Fragen. „Was machen Sie hier?“ Das könne er doch sehen, gab er dem Uniformierten artig zur Antwort. Darauf schaute dieser wieder fragend, schwieg, den wachsamen Polizistenblick mit einem Auge fest auf das Familienstammbuch gerichtet. Das lag da so rum und schwieg ebenfalls unschuldig. „Wie? Gestern geheiratet?“ fragte der Polizist, als ob er nicht glaubte, was er da sah. „Das ist ein ganz schlechter Anfang, ein ganz schlechter Anfang“, murmelte er recht undienstlich.
    Für Jürgen war die Razzia der Anfang des Endes der
Top Cat
-Zeit. Die Polizisten suchten Falschgeld unter den Betten. Trotzdem übernahm für kurze Zeit das Ehepaar Zöller das
Top Cat
als ehrenwerte Pächterfamilie, aber das Thema hatte sich schnell erledigt. Es kam, wie es kommen musste: der Trommler spürte wieder dieses Ziehen in den Armen und Beinen. Es wurde stärker. Zum ersten Mal seit er mit den Mädels in Spanien gewesen war, bemerkte er wieder die Relevanz der nach wie vor nach oben offenen Zappel-Skala. Er traf sich mit Jim Clapper, an den er seinerzeit Ringo Funk vermittelt hatte. Der musste doch das Schlagzeug noch haben, das er damals bei ihm gelassen hatte, „in Verwahrung“ quasi. Jim spielte mit den „Facts of Life“ im
K 52,
Jürgen sprach ihn an. „Warum kommst du denn jetzt erst? Du warst ja über ein Jahr weg. Dein Schlagzeug ist nicht mehr da.“ war die ernüchternde Antwort. Verfluchte Scheiße. „Der Clapper hat deine Schiessbude verkloppt“, raunte ihm einer der Facts of Life zu. So sind sie eben, die Fakten des Lebens. Für einen Moment glaubte Jürgen tatsächlich an einen Wink des Schicksals und wollte dessen unergründlichem Ratschlag nachgeben, also dem Musikerdasein abschwören.
    Zu diesem Zweck und Behufe nahm er einen Job auf dem Frankfurter Flughafen an, arbeitete fortan bei der amerikanischen Fluggesellschaft Pan Am als Telex-Operator. Das bedeutete Schichtbetrieb mit Nachtschichten, drei Tage Arbeit und drei Tage frei. Nachts saß der konvertierte Rockstar zwischen lauter ratternden und summenden Telexgeräten, lauschte den auf- und abschwellenden Melodien von rund dreißig empfangenden und fünf sendenden Geräten, las Bücher und hörte Musik. Aber Obacht, Herr Zöller! Ferner war auf die Lochstreifen zu achten, die den Empfangsgeräten entquollen und zu entnehmen waren. Selbige mussten mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit gelesen und vermittels der Stanzung an Anfang und Ende zugeordnet werden. Anschließend waren die Lochstreifen abzureißen, in ein weiteres Lesegerät einzugeben, von wo aus sie weitergeleitet werden konnten. Dazu waren die Nummern der Endempfänger einzugeben. Eine in höchstem Maße anspruchsvolle Aufgabe und eine glänzende Perspektive für ein langes, erfülltes Berufsleben also.
    Als störend empfand der Weiterleiter jene Nacht, in der irgendwo da draußen in der Welt ein Flugzeug von Terroristen in die Luft gesprengt wurde. Da lag er eingedöst in seinem Telexraum, und um zwei Uhr morgens spielten die Geräte unvermittelt Armageddon. Die Ablösung um sieben Uhr morgens fand ihn bis zu den Knöcheln in Lochstreifen stehend. War das wieder ein Wink des Schicksals? Das Zappeln meldete sich wieder, Feldstärke wegen zu langer Abstinenz noch unbestimmbar. Lauter als alle Telexgeräte und Flugzeugsprengungen der Welt. Im Frühjahr 1970 brachte er den Verstärker seiner Stereoanlage zu Curt Cress, und bekam dafür

Weitere Kostenlose Bücher