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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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Eduscho-Filialen.
    Dementsprechend war die Stimmung im Doppeldeckerbus: Gelegentlich etwas depressiv bis schwer gereizt. Unten saßen die Rubettes und Slade und oben saßen Supermax und Pussycat. Pussycat immer ganz vorne, ein richtiger Familienbetrieb, alle miteinander verwandt, verschwägert, verheiratet. Sie schmierten sich Brötchen und strickten friedlich vor sich hin. Supermax waren 16 Mann, die Hälfte davon schwarz. Und zwar schwarz, im Sinne von schwarz. 2 Percussionis-ten, 2 Schlagzeuger, 3 Gitarristen, 2 Keyboarder, 3 Sänger. Driving down that long and lonesome road. Dadam dadarr. Die Engländer im Erdgeschoss fingen an, Kassetten einzuschieben mit Furzmeisterschaften: „The Farting Contest“. Die Lautsprecheranlage an Bord übertrug es ins Dachgeschoss. Stunde um Stunde, Fürze und immer wieder Fürze. Live und mit zunehmender Begeisterung kommentiert und preisrichterlich gewürdigt von Slade und den Rubettes, kommentiert wie der doppelte Rittberger oder der Salto. Mehr Fürze, lautere und kunstvollere Fürze. Das Dachgeschoss wurde säuerlich. Die Schwarzen noch schwärzer. Hauensteins Schnurrbart vibrierte bedenklich. Als der Sänger der Rubettes sich nach Ende des Furzens aller Kleider entledigte und nackig im Dachgeschoss im Gepäcknetz zappelte, nestelte Brad Howell von der Supermax-Band bereits nervös an seinem mitgeführten Schießeisen. „Where are the girls from Pussycat?“ sprach der Rubettes-Blitzer schließlich fast sein eigenes Todesurteil. Hauensteins Schnurrbart schwankte und rotierte, der Mann dahinter sprang auf und schrie: „Jo, sog amol, bisd du woaahn-sinnig? Hosd du nix zum Pudern daham? I bring di um, I drah di haam.“ Brad Howell war am Durchladen. Es war Jürgen Zöllers erste richtige Rock’n’Roll-Tournee.
    Nach dem Konzert in Köln fuhr der Bus durch die Nacht, kam um 11 Uhr morgens in Berlin an und parkte direkt vor der Halle. Es war kalt, die Halle war noch zu, kein Hotel weit und breit, die Musiker froren. Erst mittags kam der Großteil der Anlage an, die Endstufen zu einem guten Teil von den Schlaglöchern der DDR-Autobahn zerrüttet. Abends verloren sich rund tausend Zuschauer in der riesengroßen Deutschlandhalle, später ging es ins
Big Eden
auf dem Kudamm, die Disco des Berliner Playboys Rolf Eden. Danach zurück in den Bus, ein Hotel war nicht vorgesehen, am darauffolgenden Tag sollte München beglückt werden. Um elf Uhr morgens hielt der Bus in Augsburg an, vor der Diskothek
Bonanza.
Autogrammstunde. In München gab es immerhin eine Hotelübernachtung, die Musiker konnten zwei, drei Stunden Schlaf einnehmen, danach fuhr der Bus zum Circus Krone-Bau. Die Ortsbesichtigung ergab, dass vier Bands nicht genug Platz hatten, um ihr Equipment auf der Bühne aufzubauen. Also wurde das Konzert abgesagt. An die Hotelbar gehen oder die Minibar plündern sah der Etat nicht vor. Die teuersten Hotels, aber nix zu fressen, die Musiker gingen zu McDonalds. Abgerechnet wurde am Schluss. Beim letzten Konzert wurde der Veranstalter, den es bei der Generalprobe noch nicht zerrissen hatte, in ein Flightcase gesteckt und konnte, mitten auf der Bühne platziert, so den gesamten Slade-Auftritt anhören. Das war das Ende von Jürgen Zöllers erster richtiger Rock’n’Roll-Tournee.
    Nach der Funkausstellung 1979 in Berlin meldeten die Experten für kapitalistische Unterhaltungskunst aus den Ländern des real existierenden Sozialismus Interesse an Supermax an. Die nämlich hatten offenbar die Fernsehsendung „Disco Disco“, Thomas Gottschalks TV-Premiere, verfolgt. In der Sendung, die in 40 Länder verstrahlt worden war, hatte man eine wüste Mischung gerade angesagter Stars gezeigt: Tina Turner, Roxy Music, Boney M … und eben auch Supermax mit der berühmten Playback-Nummer. Vielleicht dachten die Verwalter wohldosierter kapitalistisch-dekadenter Popkulturgastspiele, es handle sich bei Hauensteins multinationaler Truppe um eine Art leicht zu handhabendes Marionetten-Playback-Figurentheater. Aber natürlich wollten die Supermäxe ganz großes Kino bieten, schließlich standen ja auch große Arenen auf dem Tourplan. Also Riesen-Equipment, Backdrop, Leinwand, Projektionen, Feuerwerk, Pyroeffekte, Strobelights, die gesamte Palette des Instrumentariums, mit dessen Hilfe eine Band wie Supermax zu Hause in Deutschland den werktätigen Jugendlichen den Blick auf ihre objektive Klassenlage verstellte. Ganz zu schweigen von Nebelmaschinen! Supermax kam als technische Sensation und

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