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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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oft aus ganz anderen Perspektiven, als sie sich das vielleicht gewünscht hätten. In Varna, der „Golden Beach“ am Schwarzen Meer, war immer High Life. Allerdings weniger für die Einheimischen, sondern mehr für DDR-Bürger und englische Arbeiterfamilien. Supermax waren geladen als Stargäste einer Veranstaltung, die eine Art osteuropäischer „Grand Prix de la Chanson“ war. Anschließend dann hieß es: Empfang mit Büffet, Jürgen marschierte diesmal völlig unbehelligt zusammen mit einem Kollegen hin, sie vertrieben sich die Zeit, guckten aus dem Fenster, beobachteten das Defilee der Gäste und drehten sich nach zehn Minuten wieder um. Das Büffet, das eben noch die Statik des Raumes in Gefahr gebracht hatte, war weg. Leergefressen. Alle. Nur noch ein bisschen Soße und abgebrochenes Brot. Wie schön es doch war, ein Supermax zu sein. Noch schöner war es, dann nach Hause zurückzukehren, im Kopf die Bilder von beatlemania-artigen Rauschzuständen, von Größenwahn, Angst und Paranoia. Und dann den Briefkasten aufzumachen und unter einem Berg von Rechnungen, Mahnungen, Zahlungsbefehlen und Pfändungsbescheiden fast begraben zu werden. Die Wirklichkeit hatte dich fest im Griff.
    Aber nur kurz, denn the Show must go on, und ab ging es nach Tunesien. Eingefädelt worden war die Sache von einem tunesischen Kneipier aus Koblenz. Der hatte eine Rock’n’Roll-Kneipe, war Supermax-Fan und hatte das Konzert in Tunis zu Silvester 1979/80 organisiert. Jetzt aber richtig mit Hofstaat und Entourage: Alle Musiker konnten mit Anhang hinfliegen, eine Woche Urlaub machen, und mussten nur einmal auf die Bühne. In der Halle herrschte dementsprechend Stimmung, und wieder gab es regionalkulturelle Erstaunlichkeiten zu studieren: Oben auf dem ersten Rang zündeten begeisterte Fans Zeitungen an und liefen beschwingt tanzend die ganze Zeit damit im Kreis. Zurückgekehrt, erreichte die Band die frohe Botschaft, der allseits renommierte Wuppertaler Veranstalter Qualmann Concerts sei an die Band herangetreten mit der Idee, eine Tournee in Südeuropa zu veranstalten, ausschließlich in Tourismus-Hochburgen wie zum Beispiel Lido di Jessolo, Ibiza, Mallorca, Grasse, Benidorm. Wieder war es eine Package-Tour mit mehreren Bands: „Clout“, die einen Hit mit „Substitute“ hatten, „Steppenwolf“, denen aber John Kay, ihr wichtigster Mann, abhanden gekommen war und eben Supermax. Die undankbare Aufgabe des Anheizers hatte man einer semiprofessionellen Band aus Marburg zugewiesen. Runter fahren, Sommer, Sonne, geile Tour. Das hörte sich doch gut an. Und was war? Die Firma Qualmann hatte einen Plakatierwagen auf die Tour geschickt. Gerade mal zwei Wochen Vorsprung hatten die Plakate, bevor die Bands am jeweiligen Ort spielen sollten. Bei Ärzten nennt man so etwas regresspflichtigen Kunstfehler. Im Musikbusiness nennt man das: „Ach weißte, das wird schon hinhauen, ich hab’ da so meine Erfahrung …“
    Die Folgen lagen auf der Hand, beziehungsweise standen recht einsam in der brütenden Hitze herum. In Lido di Jessolo (einer dieser klassischen Strandorte, deren Strand man an schönen Tagen nicht sieht) war ein Fußballplatz der Ort des Geschehens. 12.000 bis 13.000 Leute hätten dort Platz gefunden, aber die waren am Strand. Mittags zum Soundcheck kamen die Menschen, die sich Steppenwolf nannten, auf die Bühne, steckten den Stecker rein, und machten zwei Minuten Krach. Im Sinne von Krach und gingen wieder mit den Worten „Okay, that was it. Tonight it’s gonna be louder.“ War es, aber kaum voller als beim Soundcheck. 180 Leute, schätzte Jürgen. So ging die Tour weiter. Wo immer die Bands hinkamen, trafen sie auf das blanke Nichts. Herr Qualmann wurde es langsam ungemütlich, und die Musiker unterließen es mit steigendem Genuss, ihn in Wohlbefinden und Harmonie zu schaukeln und zu kosen. Szenen wie diese schafften es, seinen Ruf als äußerst umsichtiger und wohlorganisierter Veranstalter ins nachgerade Anbetungswürdige zu katapultieren: In Grasse angekommen, orakelte Qualmann: „Fahrt jetzt mal zum Hotel, ich kümmer’ mich hier um alles.“ Das Hotel entpuppte sich als Campingplatz, auf dem ein Motel stand. Je acht Mann durften sich ein Zimmerchen dieses Motels teilen. Es reichte trotzdem nicht für alle, Qualmann musste sich verrechnet haben. Oder hatte er Kurt Hauensteins Bus, vorausschauend wie er nun mal war, in seine Planung einbezogen? Hauenstein hatte diesen Mercedes-Bus zum Bandbus umgebaut mit

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