Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
kämpfte einen lang anhaltenden Kampf mit technischen Problemen. Die West-Endstufe und die Ost-Steckdose wurden nicht immer ein glücklich liebend Paar.
Ein Alptraum in Glas war eine Messehalle in Russe, vollgestellt mit einer dubiosen Blechrestrostkonstruktion, die man optimistisch Tribüne nannte. Geplant und angesetzt waren an diesem Tag zwei Konzerte unmittelbar hintereinander, mit einer Pufferzone von eineinhalb Stunden zum Publikumwechsel. Beide Konzerte waren ausverkauft. Bis zum dritten Song ging alles gut, dann entwickelte die Anlage ein bisher nicht gekanntes Eigenleben: ging aus und wieder an, verzerrte nach Belieben. Es war der reine Scheiß. Jürgens Plastikventilator zerschmolz derweil binnen sechzehn Takten zu Klump. Bei Temperaturen über 40 Grad, mit 8.000 Zuschauern auf wackligen Blechrestrosttribünen, schaffe es selbst die findige österreichische Crew nicht, das Problem schnell zu beheben. Und das waren immerhin Leute, die es geschafft hatten, bei einem alten Schmied eine defekte Kardanwelle durch ein handgehämmertes Teil ersetzen zu lassen, das funktionierte. Schließlich konnte der Schuldige gefunden werden: Der Mörder des Konzerts ist immer der Hausmeister, und der hatte einfach den Strom von 240 auf 360 Volt umgestellt, während die Band schon spielte. Eineinhalb frustrierende Stunden waren inzwischen vergangen, dann machte die Polizei die klare Ansage: Höchstens noch zwei Nummern, dann muss das erste Konzert beendet sein. Auf keinen Fall sollten sich die zweimal 8.000 Fans beim Aus- und Einschleusen vor der Halle begegnen. Den Musikern blieb wohl keine Wahl, sie spielten die vereinbarten zwei Nummern, die Massen rasten. Eineinhalb Stunden hatten sie schweißspritzend auf den Tribünenrostresten gesessen, nachdem sie drei Songs gehört hatten. Für sehr viel Geld. Und jetzt hatten sie noch mal zehn Minuten, dann war alles vorbei. Super, Max! Als ihnen klar wurde, dass unwiderruflich Schluss war, erbebten die morschen Tribünen-rostreste unter einem schrillen Konzert von Buhrufen und Pfiffen. Die Polizeitaktik aber ging auf. Die zweiten 8.000 Zuschauer, die in die Halle eingelassen wurden, hatten vom vorangegangenen Fiasko nichts mitbekommen und machten das Konzert zu einem Riesenerfolg. Jürgen merkte es spätestens daran, dass er nach der ersten Zugabe vor Erschöpfung zusammenbrach und zwanzig Stufen nach unten segelte. Mit ein paar Ohrfeigen und einem nassen Waschlappen wurde er wieder fit gemacht für drei vier Zugaben.
Im Fußballstadion von Plovdiv konnte die Band erleben, wie sich Beatlemania etwa angefühlt haben muss. Mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen. Die Bühne stand mitten auf dem Rasen, drum herum tobte ein Höllenfeuer der Begeisterung, im Zaun gehalten durch eine Unzahl auf den ersten Blick erkennbarer und wahrscheinlich noch mehr nicht erkennbarer Polizisten und sonstiger Sicherheitskräfte. Die Nachricht war über Land gegangen, dass das Publikum die Band aus dem Westen gar zu überschwänglich abgefeiert hatte. Was würde der irre Österreicher mit dem langen Ledermantel auf der Bühne tun und sagen? Die Staatsmacht musste wachsam sein. Darum stand sie mit schlotternden Knien und schlecht schließendem Darmausgang und zitterte im Takt mit. Nach dem Gig rannte die Band unter den irritierten Augen der Staatsmacht um ihr Leben und zum Tourbus. Von der Bühne über den Rasen raus aus dem Stadion durch ein Tor auf den Vorplatz. Hyperventilierend erreichten die Musiker den vermeintlich sicheren Bus, die Fans rannten gleichzeitig auf den Bus zu, die Musiker wähnten sich schon in Sicherheit, da flog ein Stein aus der Menge durch die Scheibe am Kopf einer Sängerin vorbei. Der Busfahrer startete durch. Was sollte er auch anderes tun, hatte er doch den Mund des Managers am Ohr, der ihm immer wieder „Go! Go! Go!“ zubrüllte und einhämmerte. „Go! Go! Go!“ Es war ein Anblick wie im Präsidentenfilm. Lübke hätte seine Freude daran gehabt. Vorne Polizei, hinten Polizei mit „Go! Go!“ und „Lalü lala.“ Der Bus schlug eine Schneise, die Menge teilte sich unangenehm brodelnd, die Knüppel der Staatsmacht halfen dabei noch unangenehmer nach. Jürgen fragte sich schlotternd „Wo bin ich hier?“ Die Panik in solchen Momenten wurde nur unvollständig durch das Erlebnis aufgehoben, dass die aufrechten Fans die ganze Nacht vorm Hotelfenster standen und „Supermax! Supermax!“ brüllten.
Die Musiker lernten Land und Leute kennen im Osten, allerdings
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