Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Flugzeugsitzen, Stereoanlage und Video. Noch ein Schlafplatz, perfekt! Jürgen hatte das ganz große Los gezogen: sein Bett stand in einer im Rohbau befindlichen Bademeisterkabine neben dem Swimmingpool. Ach was, Bett. Eine Rotkreuzliege war es. Morgens mit dem ersten Sonnenstrahl streckte der erste von ein paar Dutzend Badegästen den Kopf zur Tür herein, mit der nahe liegenden Frage: „T’schuldigung? Kann ich bei Ihnen eine Badekappe mieten?“
Kein Wunder, dass Qualmann sein Ruhm bei der Truppe irgendwann so unheimlich wurde, dass er sich zunächst unsichtbar machte. Es gab also kein Geld, gespielt werden sollte trotzdem. Die Menschenmassen hatten ja schließlich bezahlt. Auf dem Weg zur Bühne lief Jürgen hinter Kurt Hauenstein her, der mit dem Bass in der Hand schon vorwärts gestürmt war. Plötzlich rief jemand: „Der Qualmann …“ Kurt Hauenstein blieb stehen, drehte sich um. Am Nachmittag hatte er schon die Nummernschilder von Qualmanns Truck und VW-Bus entfernt und an einen sicheren, nur ihm bekannten Ort verbracht, mit den geflügelten Worten: „So laang der ned zoahlt, g’hert dös mir.“ Jetzt also war Hauenstein stehen geblieben, hatte dem Nächstbesten den Bass in die Hand gedrückt, mit den Worten „hoalt amol!“ Dann stieg er die Treppe hinab. Wie im Western, nur ohne Colt. Wortlos polierte Hauenstein Qualmann die Fresse, ließ sich den Bass wieder aushändigen, erklomm die Bühne und spielte. Alle waren einen Kopf größer geworden. Es war, als wäre ein Knoten geplatzt. Die Lebensfreude kehrte zurück unter die gebeutelten Musiker. Legal, illegal, scheißegal. Jetzt ging die Tour erst so richtig los, das war ab sofort die unausgesprochene Devise.
Kurt Hauenstein fand immer instinktiv den goldenen Mittelweg zwischen „schwerreich“ und „von Finanznöten zermürbt“, fürs Geld gab es den Erfolg auf Schallplatte, für die Nöte die Experten und Manager. Und Hauenstein half jedem, wenn er konnte, und eigentlich auch wenn er nicht konnte. Er wollte der gute Samariter sein. Aber mobil musste er auch sein, und da reichte ein Auto nicht. Ein Cadillac Fleetwood, ein Cadillac Eldorado, ein Chevrolet Blazer und ein Trike mussten es schon sein, gar nicht zu reden von seinem Haus, seinen Studio- und Büroräumen. Er schmiss mit Geld um sich und beschäftigte zusätzlich noch Leute, die für ihn mit seinem Geld um sich schmissen. Was einige Leute sehr gerne in Anspruch nahmen. Derweil versuchten die allseits geschätzten Berater, ihm die Band auszureden, oder sorgten zumindest dafür, dass keine festen musikalischen Bindungen entstanden, dass die Musiker austauschbar blieben. Italien, Frankreich, Spanien, Ungarn, die Spieler wechselten im Tourbetrieb wie in einer Fußballmannschaft, allerdings wurden deutlich geringere Gagen gezahlt und von Ablösesummen oder Trainerwechsel wurde auch nie was gehört.
Jetzt aber, in diesem heißen Sommer, nachdem Herr Qualmann in Unehre entlassen worden war, stimmte mal für einen Moment das Bandgefüge. Da war der Meister der Endstufen und Lautsprecherboxen, ohne den nichts ging, Jürgen Maier. Er setzte sich mit den Bandmanagern zusammen, sie machten Kassensturz und gründeten eine eigen Firma mit eigenem Geld und dem Rechtsanwalt, der über Nacht mit dem Porsche aus Deutschland herandonnerte, um die Papiere klarzumachen. Die Tour konnte weitergehen. Allein: Qualmann war fort, Publikum leider immer noch nicht da.
Kurt Hauenstein hatte einen Traum: Eine Tour in Südafrika machen mit einer gemischtrassigen Band. Dem Apartheid-Regime ein Schnippchen schlagen. Klar, Hauenstein wäre selbst gern schwarz gewesen. Wie seine Frau, seine Kinder, seine ganzen Kumpels, seine Musik. Jetzt war die Zeit gekommen. Im „Johannesburg Star“ vom Mittwoch, 4. März 1981 ist ein bemerkenswertes Foto abgedruckt, auf dem recht unausgeschlafene Menschen zu sehen sind. Drunter steht: Die tourende Popgruppe Supermax brachte den Verkehr zum Erliegen. Sie werden heute Nacht das Publikum zum Toben bringen, wenn sie ihre Tour im
Colosseum-Theatre
eröffnen. Genauso gut hätte die Bildunterschrift lauten können: „Tiere schauen dich an“ oder „Fremde Insektenwelt“.
Veranstaltet wurde die ganze Tour von einem Inder namens Hassan. Der entstammte einer sehr, sehr reichen Familie und betrieb in Johannesburg einen einträglichen Teppichhandel. Trotzdem war er ein Mensch zweiter Klasse im Land der Rassenschranken. „Colo-red People“ saßen möglicherweise auf einem Berg von
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