Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
einhacken. Dazu waren live Bass, Gitarre und Schlagzeug einzuspielen, möglichst im ersten Take und vom Blatt. Musik zum Tanzen und Träumen von Hagen Galatis für den WDR. War es das, wo er hingewollt hatte? Jürgen hatte zunehmend das Gefühl, im Tunnel zu leben, Tunnelgeräusche zu hören, und einen Tunnelblick zu kriegen. Von Tunnelohren ganz zu schweigen. Dass er inzwischen in mehreren Tunnels mit unterschiedlichen Aufgaben betraut war, machte es nicht unbedingt besser.
Rückblende: Kurz vor Weihnachten 1974. Gerry Edmond in Wien, abends gingen alle in den legendären Laden
Die Kamera.
Über viele Stunden lief dort nur gute Musik, nicht ein Titel, der nervte. Eine Oase des Geschmacks. Und oben im Café saß nun dieser Kurt Hauenstein, von dem Jürgen gerade kurz zuvor nur das Beste gehört hatte. Der sei gerade in London gewesen, um die Rockoper „Victor“ aufzunehmen. Beeindruckend war er ja wirklich, wie er da so saß, ach was, residierte und Hof hielt aufs Raumfüllendste, mit seinem langen schwarzen Ledermantel, hohen Stiefeln und einer Riesenmatte mit Schnurrbart. Das Gespräch endete mit der Versicherung: „Jo genau, wir moch’n was z’samm.“ Jetzt, 1976 trafen sie sich wieder im Europasound Tonstudio. Hauenstein spielte dort – genau wie Jürgen – bei allen Produktionen von schön bis scheußlich. Er wohnte in Offenbach-Bieber, drei Minuten Fußweg vom Studio entfernt. Zuerst ließ Hauenstein seine musikalische Idee „Supermax“ als kreativen Abenteuerspielplatz reifen, für den Peter Hauke dem Österreicher alle Freiheiten ließ. Er konnte aufnehmen, wenn im Studio sonst nichts los war. Er stand nicht unter dem Zwang, mit fertigen Kompositionen auflaufen zu müssen, sondern entwickelte seine Ideen erst im Studio.
So entstand auch „Love Machine“, der Supermax-Hit schlechthin. Eher als Abfallprodukt, hinter dem niemand wirklich stand. Aber nun war der Hit da, und damit das Image. Und damit die Notwendigkeit, eine Band zusammenzurufen und auf Tour zu gehen. Und dort den Erwartungen des Diskothekenpublikums gerecht zu werden, aber eben auch dem eigentlichen Konzept, das viel mit Latin-Grooves, Reggae und schwarzer Musik zu tun hatte und mit dem man Leute verblüffen konnte, die sonst Supermax eher unter Disco-Kacke abgelegt hätten. Hauenstein war schon „imma a Schwoarza“. Er hatte eine schwarze Ehefrau, scharte möglichste viele schwarze Musiker um sich, und ging mit schwarzen Kumpels auf die Piste. Kurzum, er fühlte sich als Soulbrother. Die Beat- und Rocktradition, aus der Jürgen kam, sagte Hauenstein nicht viel, aber jetzt „mocht’n ‘s amol eendlich wos z’samm“. Eine große Familie mit Kurt Hauenstein als Vater sollte es sein, es war aber eher das blanke Chaos. Es passte zu Jürgens privater Situation Ende der Siebziger Jahre: Länger als ein Jahr schon hatte er keine feste Wohnung, er schlief mal da, mal dort, schlimmstenfalls gar nicht oder im Studio, bestenfalls bei einer kurzzeitigen Affäre oder in einer Pension in Offenbach-Bieber, direkt beim Studio. Die Steigerung und der Höhepunkt dieser ungenauen Wohnverhältnisse jener Zeit war ausgerechnet eine feste Wohnung, die er direkt über Peter Haukes Hotline Studio in Frankfurt bezog. Das hieß nun: Überhaupt keine Chance mehr auf Schlaf, keine Chance, irgendeiner Party zu entkommen. Waren in den 60er Jahren die Drogen bunte Pillen gewesen, die man in der Apotheke kaufen konnte, hatte man gekifft oder LSD genommen, so hatten sich die Sitten in der Studioszene mittlerweile gründlich gewandelt. Kokain wurde mehr und mehr die Modedroge Nummer Eins, zeitweise wurde Koks sogar Zweitwährung. Jürgen war umgeben von Menschen, die permanent Kokain zu sich nahmen Und er probierte es. Man konnte auf Droge ziemlich viel aushalten und lange arbeiten. Wenn man Glück hatte, gab es zur körperlichen Stimulanz eine leichte Euphorie. Jürgen merkte ziemlich schnell, dass er bei der Arbeit damit nicht umgehen konnte.
JÜRGEN ZÖLLER … SELBST: In dem Moment, in dem man das nimmt, ist man nur noch Kopf. Man zermartert sich beim Spielen ständig die Birne: „Warum mache ich das jetzt so und nicht so …?“ Ich konnte aber schon so spielen, dass jeder, der mich gebucht hat, das kriegte, was er wollte, nur ich selbst konnte es nicht mehr genießen. Und wenn du selbst keinen Spaß hast, strahlst du das ja auch aus. Timing war also beim Drogenkonsum alles: In dem Moment, in dem man spielt, sollte die Droge nicht wirken. Ich kann
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