Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Rock’n’Roll-Kaschemmen. Beispielsweise das Konzerthaus in Wien. Er liebte den musikalischen Kontrast zwischen dieser Band und Wolf Maahns Deserteuren. Jürgen machte aber auch die Erfahrung, dass man als Deutscher in der Band eines österreichischen Stars manchmal hinter vorgehaltener Hand (aber natürlich nicht von den eigenen Bandkollegen) zu hören bekam: „Muss der denn aan Piefke beschäfdign? Dös is deppert, des kann i a.“ Kein Wunder angesichts der Tatsache, dass die Österreicher sich den doch sehr kleinen Kuchen des Inlandsmarktes aufteilen mussten. Das bedeutete für jeden Musiker, der in der 1. Liga mitspielen wollte: Ranklotzen.
Auch Jürgen klotzte ran. Er war ständig auf der Bühne, spielte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Jahrelang ging alles gut, ohne dass er einen Klon schicken musste. Er besprach die Termine rechtzeitig mit dem Fendrich-Management: „Bitte sagt mir jetzt, wann ist diese Tour beendet, wie kann ich planen?“ Der Manager nannte auch dieses Mal einen Termin, „hundertprozentig sicher“. Direkt im Anschluss an diesen hundertprozentig sicheren Termin wollte und sollte Jürgen die Produktion der nächsten Rodgau Mono-tones-LP („Wir sehn uns vor Gericht“) beginnen. Plötzlich aber war alles anders, plötzlich war der hundertprozentig sichere Tour-neeabschluss gar nicht mehr so sicher. Das Management rief ungut misstönend an: „Tja, wir haben da noch einen Job.“ Wenn das nicht ginge, würde eben Hartmut Pfannmüller, der Livemixer, mal eben kurz einspringen. Und plötzlich kam ein Brief vom Management: Dem Dichterfürsten würde es jetzt aber stinken, dass er, der Trommler, immer hin- und herfahre. Und er, der Trommler, solle sich nun einmal dazu äußern, umgehend. In diesen kargen Worten manifestierte sich eine der ehernen Regeln des Business: Musiker werden für eine Band engagiert, intern wird das Bandprinzip ausgerufen: Die Musiker zusammen an einem Strang, die Kumpels, einer für alle, alle miteinander, Richtung nach oben, blah. Aber wenn es ums Geschäft ging, war es bei Reinhard Fendrich wie sonst auch: „Olles Geschäfd-liche bittschön’ mit meinem Manager.“ Mit dem Chef durfte man alles machen, die Sau rauslassen, die Sau reinlassen, die Sau durchs Dorf jagen. Nur eines nicht: übers Geld reden. Oder übers Hin- und Herfahren. Wer Hired Hand war, musste und sollte sich musikalisch mit seinem Star auseinandersetzen, geschäftlich immer nur mit dem Management. Dazwischen gab es keine anderen Ebenen. Und der Manager schrieb dann eben solche Briefe. Mit einem solchen Brief war Jürgen unausgesprochen, aber de facto raus aus der Band.
Der andere Boss, Wolf Maahn, sagte ganz einfach: „Setz mal Prioritäten.“ Jürgens Herz schlug eindeutig für die Deserteure, da brauchte er nicht lange mit sich selbst zu debattieren. Er setzte Prioritäten, schon weil er hier seine Zukunft sah. Eine Band, die von der Plattenfirma eine Dreifach-Live-LP genehmigt bekam, die musste man erst einmal suchen, besonders in Deutschland. Ein edles und stolzes Produkt war „Rosen im Asphalt“. Ganz in weiß als große Box kam das Album, das schon von außen signalisierte: Oberliga. Und das die Deserteure in Höchstform zeigte. Jeder, der die Platte hörte, würde sich ärgern, bei den Konzerten der Tour nicht dabei gewesen zu sein. Maahn sang mit der Inbrunst eines Jungen, der gerade die alleinseligmachende Kraft der Strommusik entdeckt hatte, Heilheckers Gitarre glühte rostrot, und die Rhythmusabteilung ging wieder ihren gewohnten Gang – zwischen musikalischem Petting und Abrißbirne. Man hörte den Spaß, man hörte die vollen Häuser. Auf der letzten Seite des Plattenstapels fand sich ein aktueller politischer Kommentar: „Tschernobyl – das letzte Signal vor dem Overkill“. Der Refrain war einfach und ging immer „Shout, shout, let it all out …“ Wie, nicht? Ach so: es klang nur so wie der Hit von „Tears for Fears“. Man musste nicht mal genau hinhören um zu wissen, dass sich die beiden Songs perfekt ineinander überblenden lassen würden. „Uuh huhuuu huuh Tschenobyl“ heult das Schlossgespenst. Davon war nun vor allem Wolf Maahn und sonst kaum einer in der Band begeistert. Einmal kam die von der Truppe ungeliebte Anti-Atomkraft-Hymne live zum Einsatz, beim „Lieder im Park“-Open Air in Fulda, bei dem auch Anne Haigis als Gast mitsang.
Eine Liveplatte ist meistens der Abschluss einer bestimmten Phase im Leben einer Band, das Ende eines Zyklus.
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