Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
den Bildschirmen, aber das kriegten Jürgen und die Jungs schon nicht mehr mit. Alles was zählte war, dass 15 europäische Länder die Deserteure auf der Bühne brennen gesehen hatten. Und dass sich manche hoffentlich an mehr erinnern würden als an die Wunderkerze.
18
Hansi braucht Percussion
Ein halbes Jahr später meldete sich eine bekannte Stimme am Telefon. Fragend, unverkennbar hamburgisch und sehr bestimmt: „Sach maaa …. hassdu maaaal Zaiit?“ Das war Jürgen Maier, der Ton mensch der Supermax-Super-Südeuropa-Tournee. „Zeit wofür?“ Etwas zögerlich dann. „Schaaa, mit Hanß zu s-pielen, ne?“. „Wer ist Hans?“ „Ja …. James. James Last.“ Hoppla. „Wie bitte?“ „Schaaa. Hanß, und zwaaar Percussion.“ Heilige Tanzpartie! Was sollte er dem jetzt entgegenschleudern? „Hör mal Jürgen, erstens: ich bin kein Percussionist … und dann bei James Last …?“, sprach der irritierte zum insistierenden Jürgen. „Nee, hör mal, komm du mal heeea, du biß gut …“ Ja, wenn das so war, dann sollte es wohl sein. Jürgen, der noch immer Irritierte, fuhr gen Essen, quartierte sich im Hotel Bredeney ein, und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Erst einmal kam Jürgen Maier, dann James Last. „Guten Tag, ich bin der Hansi. Willkommen in meiner Familie“, sprach es aus dem Hansi mit großer Selbstverständlich- und Endgültigkeit. Das denkst du dir so, du Hansi, wollte der weiterhin irritierte Jürgen denken, sagte aber wie zur Verteidigung und mit Blick auf einen nirgendwo sichtbaren Notausgang: „Äh, also, bevor jetzt irgendwelche Missverständnisse auftreten, ich bin weder Notist noch Percussionist“ Hansi wusste offenbar, dass all das nicht zählte und sprach heiter die verantwortungslosen Worte: „Ja, das macht nichts, ich hab gehört, du wärst gut. Du wirst das schon hinkriegen.“ Und dann mit Nachdruck: „Spiel einfach, was du meinst!“ Was meinte der denn, was ich meine? Bitteee? Mit großer Selbstverständlichkeit erläuterte der Hansi nun, was er meinte: Drei Konzerte stünden an, der reguläre Percussionist sei verletzt im Krankenhaus, man werde also Straßburg und Paris beschallen, und nicht die kleinsten Hallen, keineswegs. Sondern eher die größten, und zwar sofort, das hieß: morgen. Geprobt würde nicht vorher, aber den rosa Satinanzug des erkrankten Percussionis-ten, den solle er schon mal probehalber anprobieren. Er passte. Das musste ein Zeichen sein.
Es kam wie verheißen, Jürgen stand auf dieser Bühne wieder einmal an seinem Geburtstag, es war der achtunddreißigste, schaute in vielleicht 10.000 Augenpaare und dann auf sein Instrumentarium, das ihn jungfräulich zurück anzuschauen schien: Hau mich, ich bin dein Percussion-Gebirge! Wie sie blinkten und blitzten, die Krachmacher erlesenster Art. Kesselpauken, Congas, Timbales, Becken und anderes, dem Herr Zöller noch nie begegnet war. Eine architektonisch durchkonzipierte Metropole in Percussion mit Zentrum, Vorstädten und möglichen Irrwegen: „Scheiße“ wollte Jürgen denken. Aber das denkt man nicht, wenn man sich in Paris in einem fremden rosa Satin-Anzug auf einer gut beleuchteten Bühne materialisiert. „Was mach ich jetzt?“ dachte er aushilfsweise, als er auch noch entdeckte, dass er quasi direkt neben Hansi himself ganz vorne auf der Bühne stand, und Percussion-City den Hausaltar des Bühnengeschehens bildete. Es war ein Hauch von Max Greger damals im Tanzbrunnen. Ach, wie schön wäre es gewesen, jetzt genauso wie damals einfach neben dem Trompeter zu stehen und große Augen zu machen. Von den Podesten hinter ihm begann ein Orkan sich zu erheben. Die Rhythmusgruppe, die Bläser, die Streicher und der Chor – alle spielten hinter ihm wie eine entfesselte Rock’n’Roll Crew. Und das waren sie letztendlich auch. Morgens war er mit ihnen in den Bus eingestiegen. Dort hatten sie sich ein Tässchen Wein eingeschenkt, Kopfhörer aufgesetzt und jeder für sich den irrsinnigsten Jazz in den Kopf gelötet. Kaum in der Halle, hatten sie sich mit ihren Instrumenten auf alle vorhandenen Toiletten und Duschkabinen verteilt und selbst den irrsinnigsten Jazz gespielt.
Kurz vor Showtime hatte Hansi noch beiläufig mit dem Finger auf eine bestimmte Stelle in der Setlist getippt und Jürgen zugemurmelt: Hier, bei diesem Stück stell’ ich die Rhythmusgruppe vor, da machst du so ein kleines Solo“ Und so geschah es: „Jürgen Zöller, Percussion“, freute sich Hansi, und der Aufgerufene begann
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