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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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Oder aber im schlimmsten Fall das Ende der Band überhaupt, „das letzte Signal vor dem Overkill“ eben, für Zyniker. Zumindest war es schon immer alter Musikjournalisten-Usus, in diese Richtung zu unken. Danach sah es aber hier zum Zeitpunkt des Erscheinens der Platte nicht aus. Business as usual zunächst: Wolf produzierte Anne Haigis, die Band spielte Demoversionen für Klaus Lage ein, unter anderem „Monopoli“. Jetzt hätte es eigentlich richtig losgehen können, Deserteure Phase Zwei!
    Weihnachten 1986 meldete sich Wolf Maahn bei Jürgen, telefonisch. Er wollte ihm nur eben mal mitteilen, dass er sich gerade entschlossen hätte, mal was anderes zu machen. Sobald er einen Song schreibe, habe er immer das Gefühl, es liefe immer wieder in dieselbe Richtung. Und er denke dabei auch immer an diese Band. Ja, dachte Jürgen. Gut so. Wolf aber meinte das ganz anders und blieb dabei. Er müsse jetzt dringend mal was anderes machen, und tschüss. Jürgen fühlte sich entwurzelt. Da war das Flugzeug gerade am Abheben, der Maschinenraum gut beheizt, und in dem Moment sprang der Pilot schulterzuckend mit dem Fallschirm ab. Ciao. Intuitiv zog der Trommler in seinem jetzt so sinnlos beheizten Maschinenraum Bilanz: Viereinhalb Jahre Aufbauarbeit waren eben mit einem zweieinhalbminütigen Telefonanruf aufgekündigt worden. Alle in der Band waren doch glücklich gewesen über dieses blinde musikalische Verständnis, nur nicht der Boss. Konnte das wirklich sein? Was war da geschehen, warum hatte niemand etwas bemerkt? „Setz’ mal Prioritäten!“ Das hatte er doch getan, bei Fendrich gekündigt. Und jetzt das. Wütend starrte Jürgen das Telefon an. Das würde er dem Maahn nicht verzeihen, bis heute nicht. Allen hatte Wolf Maahn den Stuhl vor die Tür gestellt damals, nur mit Axel Heilhecker wollte er weitermachen. „Nein, da mach’ ich nicht mit“, hat dieser Jürgen am Telefon erzählt, und ist dann doch bei dem Ober-Deserteur geblieben, der selbst von seiner Truppe desertierte. Was wiederum Jürgen wenig erfreute. Die Restband wollte zunächst irgendwie weitermachen. Aber es blieb beim Irgendwie. Jürgen, Werner, Paco und Renate holten Jens Fischer aus Hamburg, jammten ein paar Tage zusammen und mussten dann feststellen: Das wird niemals eine Band.

20
In the hot Seat -Sonderzug nach Pankow
     
    1987 war das Jahr, das Jürgen schließlich auf den Trommelhocker bei BAP führen sollte. Es sollte aber auch das Jahr interessanter Ostkontakte werden. In das Vakuum nach der Verpuffung der Deserteure hinein meldete sich Mike Scheller. Jetzt war er Konzertveranstalter, damals, als die großen Bands anfingen, in der Frankfurter Festhalle zu spielen, hatte er bei Lippmann & Rau gearbeitet und Jürgen in jede Veranstaltung eingeschleust, mit der er irgendetwas zu tun hatte. Jetzt aber wollte er ihn in eine ganz andere Veranstaltung einfädeln: Die DDR-Band „Pankow“, die sich mit ihren rotzigen Texten, ihrer eher ungemütlichen Musik deutlich abhob vom „liedhaften Rock“, den die Altvorderen „Puhdys“ oder „Karat“ spielten, hatte für den Westen einen Deal mit der Teldec an Land gezogen. Scheller spielte nun Briefträger: „Die suchen einen Produzenten, und ich habe vorgeschlagen, dass du das machst. Willste die mal treffen?“ Jürgen wollte, neugierig wie immer.
    Er musste sich eingestehen, dass er keine Ahnung hatte von dem, was hinter der Mauer abging. Und Pankow war bislang für ihn allenfalls ein Synonym für die Machtzentrale von Erich, dem Rocker mit der Schalmei gewesen. Wolfgang Niedecken wusste nach der gescheiterten DDR-Tour 1984 schon etwas besser Bescheid über das andere Deutschland. Aber noch spielte Jürgen nicht bei BAP. Also fuhr er nach Berlin, ließ sich am Bahnhof Friedrichstraße abholen, dann setzte man sich bei Pankow-Gitarrist Jürgen Ehle zusammen. Ehle hatte vorsorglich den ganzen Kofferraum seines Wartburg voller Lebensmittel und Getränke gepackt und unter überschwänglichen Tafelfreuden lief ein gutes Gespräch. Jürgen nahm das Gefühl mit nach Hause, dass hier Musiker am Werk waren, die der Scheiße, die in ihrem Land ablief, etwas entgegensetzen wollten. Was er hörte, machte ihm Laune auf den Produzentenjob.
    Da war Andre Herzberg, der Sänger, der eigentlich kein Sänger war, eher ein intensives Bühnenschwein. Der war so ein forscher, nassforscher Revoluzzer. Und Gitarrist Jürgen Ehle hatte nicht nur gut zu essen und zu trinken zu bieten, sondern auch dieses lick- und

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