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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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vielleicht sechs Quadratmeter großen Raum um ein erschrecktes Mikrophon und brüllte „Erbarmen, zu spät! Die Hesse komme!“ Alles, was in Frankfurt, Darmstadt, Offenbach irgendwie hessisch konnte, war dabei: Die Rodgaus, „Flatsch“, „Hob Goblin“. Die ganze Welt war ein großer, leuchtender Schoppen, randvoll mit dampfendem Blödsinn und hessischem Rap auf Weltniveau. Eine Pioniertat. „Was hadd’n da der Babba da? Der Babba hadd e Flasch Grabba da. Was haddn de Babba in de Dasch? De Babba hadd e Flasch Grabba in der Dasch. Un de eins un de zwei un de Äbbelwei, un de drei un de vier, schmeggd besse wie Bier, und de fünf un de sechs, da lachd die Gummihex, un de Hip un de Hopp un de Schobbe in de Kobb.“
    Nach so viel Rippche mit Kraut flog Jürgen erst mal in den Urlaub nach Barbados, kam recht entspannt zurück, eilte ins Fußballstadion, um die Eintracht untergehen zu sehen, und hörte berauschten Ohrs sein Werk aus den Stadionlautsprechern aufgehen. Immer nur kurz angespielt, brachte „Erbarme, die Hesse komme“ die Fußballfans auf Betriebstemperatur. So fühlte man sich also als Hitproduzent …
    Doch es folgte der dringende Ruf der alten Band, die ihn wieder auf dem Hocker haben wollte. Sogar ein großes Plakat malten ihm die Kumpels, mit der eindeutigen Aufforderung: Jürgen, komm zurück. Denn nun stand der
Rockpalast
an. Das hatte bislang nur BAP geschafft, 1982 auf der Loreley die Bühne mit den internationalen Stars zu teilen. Jetzt also die Deserteure. Rockpalast-Macher Peter Rüchel hatte lange überlegt. Grönemeyer? Lindenberg? Lindenberg hatte zu jener Zeit keine aktuelle Show anzubieten, und hätte er – O Schreck! Wie die ganzen knalligen Kulissen, wahnwitzigen Welten, panischen Pappmachéprachtbauten, zappelnden Zadekzwerge auf einer Festivalbühne unterbringen, auf der womöglich andere vorher und nachher einfach nur Musik spielen wollten? Grönemeyer? „Grönemeyer wäre einfach eine zu offensichtliche Wahl gewesen“, verriet Peter Rüchel backstage in der Grugahalle dem Journalisten Andreas Hub. „Wir haben ja immer versucht, unkonventionelle Wege zu gehen, und ich glaube, Wolf Maahn und die Deserteure sind im Moment die deutsche Liveband, die auch für die Zuschauer im Ausland am meisten zu bieten hat.“
    Also jetzt aber, März 1985, Grugahalle, backstage. Noch wenige Minuten bis zur Eurovisionshymne. Jürgen tigerte zunehmend zappelnd den langen Gang hinaus, hinauf und hinunter. Alle Garderoben öffneten sich in diesen einen langen Gang, der ganze Zirkus: Musiker, Promoter, Crew. Da sind die Kollegen von Al Jarreaus Band, da sind die Musiker von Paul Young. Smalltalk. Das Herz war eine unzuverlässige Rhythmusmaschine. Klopfte es schon wieder zu schnell? Vor ein paar Tagen, der etwas überhitzte Wiedereinstiegs-Gig in der Eifel kommt ihm in den Sinn. Da wendete doch der sonst so gelassene Rhythmusbruder Werner sein noch behaartes Haupt Richtung Schlagzeugpodest, Fragezeichen in den Äuglein und krittelte dem hyperventilierenden Drummer mitten ins entrückte Frohgesicht die unschönen Worte: „Ey, was ist los? Du bist viel zu schnell!“ Okay, schon gut. „Irgendwo in Deutschland“ ist kein Punk, und bei „Fieber“, oh Himmelhilf, wäre sowieso einundvierziggradherzkasperex-itus alles zu spät gewesen. Es war, das gestand sich der Zappelmann nur ungern ein, es war nicht jugendlicher Überschwang, sondern die schlichte hinterhältige Nervosität angesichts der heraufziehenden Europaweitheit. Und nun also the real thing. Dieses Rattern im Solarplexus. Die Treppe, die Bühne, die Eurovisionsfanfare. Werner hatte schon am Vortag dem Reporter fingertrommelnd entgegengeblökt, er wolle jetzt sofort spielen. Der sogar! Und der Leitwolf hatte gar dem Reporter erzählt: „Als ich erfahren habe, dass wir hier spielen würden, ist mir zehn Sekunden lang das Herz stehen geblieben!“
    German Television proudly presents: Moderator Ken Janz machte aus dem zehnsekündigen Herzstillstand bei der Übersetzung für Europa gleich einen zehnminütigen – die ganze Band schüttete sich aus vor Lachen. Das half. Geschafft, einzählen, abfliegen: „Wenn du in diesem Land geboren bist …“ Da, es ging. Die Menge wogte. Plötzlich flog aus der Masse eine brennende Wunderkerze, traf Wolf Maahn, blieb über seiner rechten Augenbraue stecken. Der haute sie weg, Blut lief an seinem Gesicht herunter. Was für ein Konzert! Später im Rockpalast lief noch eine Live-Übertragung von Prince auf

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