Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
riffbetonte Gitarrenspiel, vorgetragen in einem machtvollen und impulsiven Sound. Die Beschlusslage war, dass man es miteinander versuchen wollte. Kurze Zeit später kamen die Berliner in Frankfurt an, im Hotline-Studio produzierten sie erste Demos für eine CD, die später unter dem Titel „Aufruhr in den Augen“ erscheinen sollte. Es lief allerdings ganz anders als geplant. Ein weiteres Treffen in Berlin war verabredet. Jürgen kam wie üblich am Bahnhof Friedrichsstraße an, am Bahnsteig für die Reisenden aus dem kapitalistischen Ausland. Wie üblich gab er seinen Pass ab und wartete. Dieses Mal dauerte es länger. Man komplimentierte ihn in einen Neben-Warteraum. Nach zwei Stunden bekam er seinen Pass zurück mit der lapidaren Erklärung, die Einreise in die Deutsche Demokratische Republik sei ihm nicht gestattet. Für ihn gab es nur eine Erklärung: Mittlerweile war er bei BAP eingestiegen – und damit im Zuge der Sippenhaft Persona non grata in der DDR geworden.
Wie der Staat DDR Musiker zu Revoluzzern machen konnte, sollte Jürgen erleben, als er in jenen Tagen zu einem Gig von Pankow nach Hamburg fuhr. Die Jungs sollten in der
Fabrik
spielen, doch als Jürgen abends um 6 Uhr ankam, stand auf der Bühne buchstäblich nichts. Wie wollen die das schaffen, um Acht zu spielen, wenn …? In der Garderobe saß die Band, die Stimmung war 20 Grad minus. Sie ahnten, was passiert war, aber sie wussten es noch nicht. Die Roadcrew saß mit dem Equipment fest, kilometermäßig nur einen Steinwurf weg, aber es lagen Welten dazwischen. Als sie um 22 Uhr schließlich ankamen, viel zu spät für das Konzert, erzählten sie, wie es genau abgelaufen war: Sie waren an der Grenze herausgewinkt worden, man hatte sie in eine Halle gewiesen, der LKW wurde komplett auseinander genommen. Und dann passierte erst mal nichts. So lange, bis die Zöllner absolut sicher sein konnten, dass Zöllers Band keine Chance mehr haben würde, im feindlichen Hamburg auf die Bühne zu kommen. Telefonieren durften sie natürlich auch nicht. Währenddessen musste Jürgen einem André Herzberg zuschauen, der in prä-explosivem Zustand in der Garderobe auf- und abtigerte.
1987 war auch das Jahr, in dem Jürgen auf dem Jazzfestival in Sopot in Polen spielte. Das kam so: Bob Lyng, ein Frankfurter Musiker, Songschreiber, Manager, Promotor, Autor einiger Ratgeberbücher für das Musikbusiness, hatte einen hochmusikalischen Mann in Polen aufgetan, den er nun managte. Er hieß Stanislaw Soyka, hatte eine englischsprachige Platte produziert und seine Plattenfirma war bereit, einiges zu investieren, damit er auch den Westlern ein Begriff werden konnte. Fehlte nur noch die richtige Band, um mit einigen ausgewählten Showcases zu zeigen, was Stanislaw drauf hatte. Bob hatte eine Idee, und begann mit einigen Anrufen eine Band zusammenzustellen. Bassmann Ken Taylor bildete zusammen mit Jürgen die Rhythmussektion, der alte Kumpel Rainer Marz spielte Gitarre, und Jürgens damalige Freundin Geli Fleer bediente auch noch ein Keyboard.
Es eilte. Drei Tage lang hatten sie in Frankfurt ein Programm geprobt, das von satten Balladen bis zu dem Musikstil reichte, den man damals, durchaus noch mit Hochachtung, „Jazz Rock“ nannte. Aber nicht die coole, abgeklärte Art, die mit hoch erhobener Nase in den Wolken abgehobener Könnerschaft umherirrte. Ganz im Gegenteil. Herr Soyka schwitzte bei der Arbeit, seine unbestrittenen Songschreiberqualitäten paarte er mit einer animalischen Arbeitsweise am Instrument. Jürgen staunte. Noch nie zuvor hatte er (außer natürlich bei seinem alten Freund Tony Carey) solche Songwriter- und Performer-Qualitäten bei einem Keyboarder gesehen. Als er dann noch Zeuge wurde, wie der vollkommen entfesselte Stanislaw beim Erreichen der musikalischen Dienstgipfelhöhe in einem dieser Konzerte einen Glasbaustein auf dem Boden durchtrat, da war er überzeugt, dass dieser Kerl mit den strähnigen, verschwitzten Haaren ein echter Rock’n’Roller war.
Es blieb eine kurze Episode. Ein Konzert in der Hamburger Markthalle (was als Beweis für das vorhandene Interesse der westlichen Plattenfirma gewertet werden durfte), eine Fernsehsendung beim SWF und dann das Festival in Sopot. Das war es dann auch schon. Man hätte aus Stanislaw Soyka eine Art östlichen, musikalisch und gesamtkunstwerklich breiter angelegten Elton John machen können. Vielleicht hatten sich das ein paar findige Leute bei der Plattenfirma auch so gedacht, aber es sollte nichts
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