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Juli, Die Viererkette

Juli, Die Viererkette

Titel: Juli, Die Viererkette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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in die Steppe hinein, bis wir mutterseelenallein darin waren. Selbst der Finsterwald, der letzte Anhaltspunkt aus meiner früheren Welt, verschwand hinter dem Horizont, und gleich würde die Sonne ihm folgen.
    Gleich war es Nacht und ich befand mich an dem schrecklichsten Ort der Welt. Ich fühlte mich, als schwämme ich in einem über 10.000 Meter tiefen und von Haien verseuchten Meer. Einen schlimmeren Ort konnte es nirgendwo geben. Davon war ich fest überzeugt, doch dann marschierten wir diese Hügelkuppe hinauf.
    Der Dicke Michi und seine Horde schienen sich richtig zu freuen. Offensichtlich waren sie stolz auf das, was ich jetzt zu sehen bekam. Doch ich konnte ihre Begeisterung darüber nicht teilen. Nein. Ganz im Gegenteil! Ich war entsetzt.
    „Achtung! Achtung! Die Räuber! Die Räuber!“, schoss es mir durch den Kopf. So hatte Joschka mit drei Jahren immer geschrien, wenn Kater Mikesch zu den Zigeunern kam, die ihn in einen Sack sperren wollten. Und genau wie Kater Mikesch kam ich mir vor. Ich stand auf der Hügelkuppe, hörte Joschkas verzweifelte Warnung und konnte trotzdem nichts daran ändern, dass ich gleich in den Sack gesperrt werden würde.
    Unter mir am Fuße des Hügels, und zwischen anderen Bodenwellen versteckt, lag ein Nest. Ja, anders kann man es wohl nicht bezeichnen. Wohnwagen und Wellblechschuppen duckten sich flach in die Talmulde hinein. Neonröhren schwankten im Wind, und Schweißbrenner zischten um geklaute Autos herum. Dazwischen standen finstere Männer und Frauen, unterhielten sich flüsternd und lachten zu laut.

    Dann entdeckte ich ihn. Er saß in der Mitte des Räubernests an einem Klapptisch und zählte im Schein einer nackten Glühbirne Geld. Er war so groß und so fett wie Jabbar the Hut , und ich wusste sofort, wer er war: Der Hauptmann, Michis Cousin. Ja, ich sage jetzt Michi, denn im Vergleich zu seinem Cousin war der Dicke Michi ein Suppenkasper.
    Die Unbesiegbaren Sieger strahlten sich an, als wär das da unten die Erfüllung all ihrer Träume. So wollten sie alle mal werden. Ja, und damit das klar war, holten sie kräftig Luft, scharrten mit den Füßen auf dem Boden herum und spuckten sich Mut. Dann nahm mich Michi in seinen Arm.
    „Das da!“, verkündete er, „das da unten, Huckleberry, ist ab jetzt dein größtes Geheimnis! Ist dir das klar?“
    Der Dicke Michi drückte mich, als wollte er mich erwürgen.
    „Ist dir das klar?“, zischte er noch einmal, und ich konnte gerade noch nicken, sonst wär ich erstickt. Da ließ er mich los.
    „Seht ihr, was hab ich gesagt? Dieser Zwerg hat mir schon immer gefallen. Und jetzt ist er einer von uns! Los! Sagt ihm schön ,Guten Tag‘ und ,Herzlich willkommen‘!“, lachte er und schlug mir seine Radkappenhand auf die Schulter.
    Die anderen Unbesiegbaren Sieger machten es nach. Einer nach dem anderen gingen sie an mir vorbei und grinsten mich an. Dann stapften sie den Hügel hinunter.
    Nur ich blieb zurück. Ich und ein finsterer Sense. Argwöhnisch kreiste er um mich herum.
    „Ich warne dich!“, raunte er. „Ich pass auf dich auf, hörst du? Ich pass auf dich auf!“
    „Ach wirklich? Was du nicht sagst!“, versuchte ich, das Schlottern meiner Knie zu überspielen. „Ich hab gar nicht gewusst, dass Sensemann der Name eines Schutzengels ist.“
    „Du hast schon richtig gehört, Huckleberry!“, zischte er ohne Sinn für Humor. „Ich werde dich nämlich schon foltern und quälen, wenn du dir nur den klitzekleinsten Verrat ausdenkst. Ist dir das klar?“
    Ich nickte gehorsam. Dann rannte ich los. Gegen Senses Gesellschaft war selbst das Räubernest ein Hort der Menschlichkeit. Die Mistkerle wurden begrüßt, als wären sie eine Parade aus Kuscheltieren. Küsschen hier und Kopfnuss da. Selbst mir erging es nicht anders. Ich fühlte mich wie das Maskottchen einer Fußballmannschaft aus einem Alptraumvergnügungspark. Doch zum ersten Mal fühlte ich mich auch absolut sicher. Ja, denn ich war am Ende der Welt. Ich befand mich in der neunundneunzigsten Hölle, und ich wurde vom Teufel höchstpersönlich geküsst. Da kann einem doch nichts mehr passieren, oder was meint ihr?
    „Hey, fetter Vetter!“, begrüßte Michi seinen Cousin. „Ich hab ein bisschen Knete für dich. Hier schau dir das an!“
    Damit kippte er das Geld für Willis Geburtstagsgeschenk vor ihm auf dem Tisch aus.
    „Das sind 168 Euros. Und dafür möchte ich nur das Beste von dir. Das Beste vom Besten! Und erzähl das auch meinen Cousinen. Heute ist

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