Juli, Die Viererkette
leicht.
Er stoppte den Ball viel lieber zuerst mit der Brust, lupfte ihn dann mit dem Knie über den Kopf und spielte ihn mit der Ferse nach rechts, um dann endlich, nach einem schmerzhaften Abschied, die Kugel ins Netz zu zirkeln. Doch bei der Ferse war Schluss. Die Viererkette stahl ihm den Ball vom Schuh, ließ Fabi aussteigen, trieb das Leder noch ein paar Meter nach vorn und passte dann tödlich auf Marlon. Der lauerte an der Mittellinie, nahm die Beine in seine Hand, und so sehr Leon, Rocce, Jojo und Fabi auch fluchten, so wenig holten sie ihn jetzt noch ein. Alle ihre Hoffnungen lagen auf Felix und Raban. Sie versperrten Marlon den Weg. Doch da kam Vanessa von links, und die spielte seit ihrem Geburtstagsfußballturnier mit Marlon zusammen, als hätte der Fußballgott sie online vernetzt.
Ansatzlos passte Marlon zu ihr in den Raum. Dann kreuzten sie. Beide wechselten sie die Seiten, spielten viermal den Blitzlichtdoppelpass, und während Felix und Raban sich im Zickzacklauf übten, schoben Vanessa und Marlon den Ball gemeinsam ins Netz.
Kreuzkümmel und Hühnerkacke! Das Leben war schön. Die Graffiti-Burgen und den Dicken Michi schien es nicht mehr zu geben. Es gab nur noch den Teufelstopf , meine Freunde, die Wilden Fußballkerle , und das morgige Spiel!
Ja, so war es bis zum Ende des Trainings. Wir versammelten uns vor dem Kiosk, um unsere Apfelsaftschorle zu trinken, und Fabi flüsterte mir ins Ohr: „Heute Nacht, um Punkt zwölf. Überraschungsgeburtstagsparty für Willi!“
Ich schaute ihn an, als käme er von einem anderen Stern.
„Los, weitersagen!“, flüsterte Fabi noch mal.
Da wachte ich auf, und ich fühlte mich, als wäre ich von den Luftballons zu den Monsterquallen ins Wasser gefallen. Alles fiel mir mit einem Schlag wieder ein. Der Dicke Michi und seine Drohung. Willis Geburtstagsgeschenk. Der Secondhandladen, zu dem wir gleich gehen wollten. Das Geld, in meiner Hose, das dann endgültig weg war! Wer sollte dann Joschka beschützen? Nein! Das durfte nicht sein! Das musste ich unter allen Umständen und kostete es, was es wollte, verhindern!
„Los, weitersagen!“, zischte Fabi noch mal, doch ich sprang auf, rannte zu meinem Fahrrad und raste durch das Holztor davon.
Fabi schaute zu Marlon und der zu Vanessa. Die schaute zu Leon, und der nickte ihr zu.
„Ja. Aber fahr nicht zu schnell!“, sagte er. „Wenn er dich sieht, ist alles zu spät!“
Willi runzelte die Stirn. Er verstand nur noch Bahnhof. Immerhin wusste er weder was vom Dicken Michi noch vom Geburtstagsgeschenk-Anzugsgeld, das sich noch immer in meiner Hose befand. Doch Willi behandelte uns niemals wie Kinder, und er wusste, dass er ein Erwachsener war. Er kapierte, dass wir dieses Problem unter uns lösen wollten. Davor hatte er großen Respekt. Deshalb sah er Vanessa nur stirnrunzelnd nach, als sie den Bolzplatz verließ, um mich zu verfolgen. Ja, selbst wenn Willi geahnt hätte, was jetzt noch alles passiert, hätte er uns niemals daran gehindert.
Der schlimmste Tag in meinem Leben
Kreuzkümmel und Hühnerkacke!
Aber ich hätte es mir gewünscht. Ich hätte es mir von Herzen gewünscht, dass Willi gegen das, was jetzt noch alles passiert, irgendwas unternimmt. Ja, und ich bitte jeden von euch um Verzeihung. Jeden, der meiner Bitte gefolgt ist und der den Schwur schon geleistet hat. Und auch jeden, der nur ein Eselsohr in die Seite geknickt hat, auf dem der Schwur stand. Ich bitte jeden von euch um Verzeihung, der mir, wenn auch nur insgeheim, vertraut hat. Obwohl er mich gar nicht kannte. Obwohl er meinen Vater nicht kannte, und nur weil er glaubte, dass ich ein Wilder Kerl bin.
Jetzt habt ihr es schwarz auf weiß. Ich bin es nicht wert, bei den Wilden Kerlen zu sein. Los! Klappt das Buch zu, bügelt die Seite mit dem Eselsohr glatt und verschenkt es am besten an eure Feinde. Ja, denn ein Buch, das euch nur erzählt, wie man seine Freunde verrät, kann man sonst keinem anderen geben.
Ich hatte meinen Freunden nicht nur ihr Geld gestohlen. Ich hatte nicht nur Willis Geburtstagsüberraschung versaut. Nein, ich ließ sie auch bei ihrem ersten großen Spiel in ihrer eigenen Liga im Stich. Dem ersten Spiel im Teufelstopf , dem Stadion der Wilden Kerle e.W. , auf das selbst ich einmal so stolz gewesen war, dass ich zu den Graffiti-Burgen aufgebrochen war, um es meinem Vater zu erzählen.
Das schlechte Gewissen trieb mich voran. Ich raste noch schneller als auf dem Weg zum Training die Straßen hindurch. Ich sprang
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