Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
angeschaut hatte.
Die wahre Liebe.
Doch wenn alles vorbei war, was dann?
Ihre Mutter hatte viele lange Jahre der Einsamkeit erlebt. Natürlich hatte sie zunächst Zeit gebraucht für die Trauer um ihre große Liebe. Aber jetzt war sie schon seit zwölf Jahren allein. Und Lisa hatte sich geschworen, sich niemals so sehr in einen Mann zu verlieben, dass sie nie darüber hinwegkommen würde, falls sie ihn verlieren sollte. Diesen Schwur hatte sie auch gehalten. Sie hatte sich zwar mit Männern getroffen, aber alles immer recht unverbindlich gehalten.
In dieser Woche hatten sowohl Mark, einer der Sanitäter, als auch der Oberarzt der Entbindungsstation, Jack Harrowven, sie um ein Date gebeten. Lisa hatte jedoch beide Einladungen charmant abgelehnt.
Joel Mortimer hatte sie allerdings nicht eingeladen. Das war auch gut so, immerhin war er ja offenbar längst vergeben.
Trotzdem spürte sie jedes Mal ein seltsames Kribbeln, sobald ihre Blicke sich trafen. Wenn er mit ihr sprach, beschleunigte sich unwillkürlich ihr Puls. Und jedes Mal, wenn seine Hand ihre berührte, weil sie irgendwelche Patientenakten austauschten, durchfuhr Lisa ein elektrisierendes Prickeln. Aber das war falsch, ganz falsch.
Sie musste sich dringend ablenken. Und gleich heute Abend wollte sie damit anfangen, indem sie mit ihren neuen Kollegen zum Chinesen ging.
Der Neunjährige bemühte sich sichtlich, seine Tränen zurückzuhalten.
„Das tut bestimmt ganz schön weh“, sagte Lisa sanft. „Du bist sehr tapfer, Sam.“
„Mmm.“
Er war anscheinend mit hoher Geschwindigkeit gestürzt, denn sein Sweatshirt war völlig zerrissen. Die Haut darunter war aufgeschürft und voller kleiner Steinchen. Die Wunde musste gesäubert werden, um eine Infektion zu vermeiden. Und die Art, wie Sam seinen Arm hielt, gefiel Lisa gar nicht. Sie vermutete eine Verstauchung oder sogar einen Bruch.
„Was ist passiert?“, fragte sie.
„Bin vom Rad gefallen“, murmelte Sam.
„Sag die Wahrheit“, forderte seine Mutter ihn auf.
„Ich bin runtergefallen“, wiederholte er.
Seine Mutter seufzte. „Ich habe überhaupt kein Mitleid mit dir. Ich hab dir schon so oft gesagt, dass du nicht auf Mr. Coopers Einfahrt rumrasen sollst. Und dass du deine Ellbogenschützer benutzen sollst. Na, wenigstens hattest du deinen Helm auf.“
Sie sah Lisa an. „Wir wohnen in einer Sackgasse. Die Jungs rasen dort alle wie blöd entlang und halten abrupt vor der Einfahrt des alten Herrn ganz am Ende. Sie wollen sich gegenseitig darin übertrumpfen, wer am schnellsten ist und möglichst kurz vor der Kiesfläche anhalten kann. Meistens fliegen sie direkt über den Lenker, oder sie rutschen auf dem Kies aus. So wie er.“
Sie zeigte auf ihren Sohn. „Wir haben alle unseren Kindern gesagt, dass sie das nicht tun dürfen. Erstens ist es nicht nett, bei dem alten Mann überall den Kies zu verstreuen, und außerdem ist es gefährlich. Aber wann hätten kleine Jungs jemals auf ihre Mütter gehört?“
„Ich bin kein kleiner Junge“, murrte Sam.
„Jetzt zeig der Frau Doktor mal deinen Arm“, meinte seine Mutter.
„Er tut weh“, stieß er gepresst hervor.
„Ich weiß, und ich werde dafür sorgen, dass das bald aufhört. Kannst du deine Finger bewegen?“, fragte Lisa.
Sam tat es, doch sie merkte, dass er dabei Schmerzen hatte.
„Ich muss den Arm genau untersuchen“, sagte sie. „Es könnte sein, dass er gebrochen ist. Aber zuerst wollen wir zusehen, dass es aufhört wehzutun. Und ich muss den ganzen Dreck aus deinem Arm rausholen, damit sich nichts entzündet. Das tut sonst noch mehr weh.“
„Aber es tut jetzt schon so weh.“ Als Lisa auf ihn zukam, sah er sie ängstlich an. „Nicht anfassen. Bitte!“
Lächelnd sagte sie: „Glaub mir, es wird sehr viel weniger wehtun und viel zügiger heilen, wenn ich den Arm jetzt vernünftig saubermache. Vorher werde ich ihn erst einmal betäuben, sodass du keine Schmerzen dabei hast.“
„Sie wollen mich mit einer Nadel stechen?“ Sam riss entsetzt die Augen auf. „Das tut doch auch weh!“
„Es war wohl ziemlich schmerzhaft, als der Hausarzt ihm eine Tetanusspritze gegeben hat“, erklärte seine Mutter.
„Du Ärmster“, meinte Lisa mitfühlend. „Aber ich bin wirklich gut im Spritzengeben. Du wirst wahrscheinlich gar nichts davon merken.“
„Doch, werde ich.“ Jetzt flossen tatsächlich Tränen.
Sam hatte anscheinend wirklich starke Schmerzen. Lisas Erfahrung nach versuchten Jungen in dem Alter, möglichst
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