Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
sich erst mal an den Gedanken gewöhnt hat“, entgegnete Lisa. „Man ist absolut sicher. Man hängt ja in einem Sicherheitsgeschirr. Und wenn man mit einer Trage zusammen hochgezogen wird, ist das ziemlich ruhig. Nicht so wie in diesen Actionfilmen, wo sich jemand an einem Seil festklammert und wie wild durch die Luft geschwenkt wird.“
Sie lachte. „Außerdem wird man nicht von irgendwelchen Gangstern unter Beschuss genommen. Oder muss durch die Fensterscheibe eines Wolkenkratzers brechen, um zu entkommen, indem man auf der anderen Seite auf eine Strickleiter springt und sich daran hochhangelt.“
Julie lachte ebenfalls. „Das ist trotzdem nichts für mich. Ich bleibe lieber schön mit beiden Beinen auf der Erde.“
„Wenn Sie bei der Luftrettung sind, werden Sie sicher auch mal mit der Küstenwache zusammenarbeiten“, meinte Ben, einer der Assistenzärzte.
„Nicht unbedingt. Die meisten Einsätze der Luftrettung sind doch bei Verkehrsunfällen oder wenn jemand gestürzt ist“, gab Julie zurück.
Verkehrsunfälle, Stürze und Herzinfarkte waren in der Tat die häufigsten Gründe für einen Notruf an die Luftrettung. Meistens in solchen Fällen, für die der normale Rettungsdienst zu langsam wäre, oder wenn eine Unfallstelle besonders unzugänglich war.
„Aber Ben hat recht. Wir haben durchaus einige Rettungsfälle auf den Klippen oder auf See. Wenn Sie wollen, stellt Joel Sie sicher gern dem Team der Küstenwache vor“, meinte Nell.
„Es ist ungewöhnlich, dass ein Arzt als Freiwilliger bei der Küstenwache mitarbeitet“, bemerkte Lisa.
„Vermutlich hat er das Gefühl, dass er dadurch auch seinen Teil beitragen kann“, sagte Ben.
Fragend sah Lisa ihn an. „Ich verstehe nicht ganz.“
„Seine Frau starb bei einem Unfall auf den Klippen“, erklärte Nell.
Es dauerte einen Augenblick, bis Lisa begriffen hatte. Joel war also nicht mit einer anderen Frau zusammen.
Für einen Witwer war er noch so jung. Höchstens Anfang dreißig. Offensichtlich versuchte er durch seine Arbeit bei der Küstenwache dafür zu sorgen, dass kein anderer einen ähnlichen Verlust erleiden musste. Genau wie Lisa mit ihrem Einsatz bei der Luftrettung.
„Deshalb arbeitet er nicht am Wochenende und macht auch keine Nachtdienste“, fuhr Nell fort.
„Entschuldigung, Nell. Ich habe nicht ganz mitbekommen, was Sie eben gesagt haben“, meinte Lisa. „Joel macht keine Wochenend- und Nachtdienste?“
„Kinderbetreuerinnen arbeiten normalerweise nicht am Wochenende oder nachts. Und seine Eltern werden allmählich alt. Ehrlich gesagt waren sie ziemlich überfordert, als der Unfall passierte“, antwortete Nell. „Vanessas Eltern leben auf der anderen Seite der Berge und sind daher auch keine große Hilfe. Beth ist ein süßes Mädchen, aber manchmal ein bisschen anstrengend. Wie jedes Kind, wenn es nur ein Elternteil hat.“
Beth war also Joels Tochter, und er war alleinerziehender Vater. Lisa wurde rot. „Oh nein. Dann bin ich heute ja richtig ins Fettnäpfchen getreten. Ich habe ihn nämlich gefragt, ob er gut mit Kindern umgehen kann.“
„Das kann er. Und woher sollten Sie das wissen?“, wandte Ben ein.
„Wie alt ist sie denn?“, fragte Lisa.
„Fünf. Und der Unfall war vor zwei Jahren.“
Beth hatte mit drei Jahren ihre Mutter verloren. Für Lisa war es mit sechzehn schon schwer gewesen; ein dreijähriges Kind war jedoch noch so klein. Beth fand es sicher sehr hart, all ihre Freunde mit einer Mutter und einem Vater oder vielleicht auch Stiefeltern zu sehen. „Armes Kind.“
„Ja. Allerdings hat Joel sehr deutlich gemacht, dass er keine Ersatzmutter für sie sucht“, sagte Nell.
„Die Warnung ist angekommen“, erwiderte Lisa leise. Sie verstand genau, was in Joel vorging. Vermutlich besser, als Nell es sich vorstellen konnte. Denn Lisa hatte dies an ihrer Mutter gesehen. Niemand würde jemals den Mann ersetzen können, den Ella Richardson verloren hatte. Sie hatte ihn zu sehr geliebt, als dass sie einen anderen in ihrem Leben hätte haben wollen.
Offenbar empfand Joel genauso für seine verstorbene Frau. Das bedeutete, er wäre der Letzte, für den Lisa sich interessieren sollte.
„Joel ist ein wunderbarer Mann. Er würde alles tun, um jemandem zu helfen. Ich will damit nur sagen, dass es keinen Sinn hat, sich in ihn zu verlieben. Egal, wie attraktiv er ist. Er lässt niemanden an sich heran, auch wenn es gut für ihn wäre.“ Nell seufzte. „Man kann nicht in der Vergangenheit leben.
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