Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
verschlagen?“, wollte Joel wissen.
Achselzuckend erwiderte sie: „Früher habe ich mit meinen Eltern hier Ferien gemacht.“ Es war der letzte Urlaub mit beiden Eltern gewesen. Und obwohl all ihre Freundinnen zusammen durch Europa reisen wollten, hatten Lisas Eltern sie gebeten, mit ihnen Urlaub zu machen. Lisa war hin- und hergerissen gewesen. Doch sie liebte ihre Eltern und war schließlich bei ihnen geblieben.
Nach dem, was knapp sechs Monate danach passierte, war sie froh, dass sie sich so entschieden hatte. Mit ihren Eltern zusammen hatte sie die einfachen Freuden Nordenglands genossen, wie die Gärten von Alnwick, wo der Rosenduft so intensiv gewesen war, dass man ihn sogar schmeckte. Sie hatten sich alte Schlösser angesehen und in Antiquariaten herumgestöbert. Sie waren an einem Teil des Hadrianwalls entlanggewandert und hatten in kleinen Cafés Stotties gegessen, eine Art Fladenbrot mit Käse und Schinken.
Komisch, dass schöne Erinnerungen so wehtun konnten.
„Ich weiß noch, dass die Strände wunderschön waren“, fuhr Lisa fort. „Unendlich lange Sandstrände und darüber Klippen mit riesigen Schlössern.“
„Der Strand hier ist toll. Und im Hafen gibt es die besten Fish and Chips auf der ganzen Welt. Die müssen Sie unbedingt probieren“, riet Joel ihr.
War das ein Angebot? Nein, und wenn, dann hätte sie es auch nicht angenommen. Sie wollte keine Beziehung.
„Na, dann herzlich willkommen im Northumberland General Hospital .“ Er streckte ihr die Hand entgegen. Lisa nahm sie und erschrak, als sie spürte, dass ihre Finger sich wie elektrisiert anfühlten. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt so stark auf jemanden reagiert hatte.
Doch ein so attraktiver Mann wie Joel Mortimer war garantiert schon vergeben. Außerdem hatte er Julie gegenüber den Namen Beth erwähnt.
„Ich muss weitermachen. Ich schätze, wir kriegen heute Vormittag bestimmt noch ein Dutzend Brüche herein“, meinte er. „Das ist bei Glatteis immer so.“
„Der Rekord in meiner Abteilung in London waren vierzig an einem Tag“, entgegnete Lisa.
Julie stieß einen Pfiff aus. „Wow. Den Rekord möchte ich nicht unbedingt brechen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest der Notaufnahme. Und dann stelle ich Sie unserm Team vor.“
„Bis später“, sagte Joel. „Ich wünsche Ihnen einen schönen ersten Tag bei uns.“
„Danke.“ Lisa lächelte und folgte Julie.
Hinreißend. Das war das einzig richtige Wort, um Lisa Richardson zu beschreiben. In ihrem Wagen, das Gesicht blass vor Angst, hatte sie schön, aber unnahbar ausgesehen. Sie hatte etwas beinahe Entrücktes an sich gehabt. Ein elfenhaft zartes Gesicht, große graublaue Augen und dunkles Haar, das zu einem Bubikopf geschnitten war und Joel an Audrey Hepburn erinnerte.
Hier auf der Station hatte Lisa herzlicher und zugänglicher gewirkt. Und als sie ihm die Hand gegeben hatte, hatte seine Haut bei der Berührung geprickelt. Ein Prickeln, das seinen ganzen Körper erfasst hatte. Am liebsten hätte er ihre Hand genommen und wäre mit dem Mund von ihrem Handgelenk den Arm entlang nach oben gewandert, bis zu ihrem Hals und dann schließlich …
Nein. Auch wenn sie die schönste Frau war, die er seit Langem kennengelernt hatte, würde gar nichts zwischen ihnen passieren. Joel hatte seine Lektion auf die harte Tour gelernt. Beziehungen waren nicht gerade seine Stärke.
Lisa hatte ihn „Sir Galahad“ genannt. Wenn sie wüsste! Der galante Ritter in seiner schimmernden Rüstung, der holde Jungfrauen aus der Gefahr rettete? Von wegen. Joel war nicht einmal imstande gewesen, den einzigen Menschen zu retten, den er hätte retten sollen. Als Ritter in schimmernder Rüstung war er der absolute Totalversager. Wenn Lisa ihn so sah, würde er sie nur enttäuschen.
Außerdem war da ja auch noch Beth.
Nein, das wäre alles viel zu kompliziert.
Joel schüttelte seine Gedanken ab und rief am Anmeldungstresen seinen nächsten Patienten auf.
Die folgende Woche verging wie im Flug, und Lisa hatte kaum Gelegenheit, mit Joel zu sprechen. Sie waren für unterschiedliche Dienste eingeteilt und liefen sich daher nur selten über den Weg.
Nur am Donnerstag bekam sie zufällig eines seiner Telefonate mit.
„Okay, Schatz. Ich hol dich bei Hannah ab, sobald ich hier fertig bin. Bis später. Ich hab dich auch lieb, Beth.“
Lisa sah den weichen Blick in seinen Augen und das liebevolle Lächeln. Es war derselbe Ausdruck, mit dem ihre Mutter ihren Vater immer
Weitere Kostenlose Bücher