Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
Irgendwann muss man einen Neuanfang machen.“
Es war zwölf Jahre her, und Ella hatte keinen Neuanfang gewagt. Lisa fürchtete, dass ihre Mutter es wohl nie tun würde.
„Manche Menschen lieben eben einen Menschen zu sehr und haben deshalb keinen Platz für irgendjemand anderen in ihrem Leben“, sagte sie leise.
„Vielleicht.“ Bedauernd meinte Nell: „Sorry, das ist eine etwas deprimierende Unterhaltung für einen Montagabend. Vor allem, da wir ja eigentlich hier sind, um Sie in unserm Team willkommen zu heißen.“ Sie füllte Lisas Glas wieder auf. „Ich wollte nicht etwa andeuten, dass Sie sich Joel an den Hals werfen. Sie könnten ja auch verheiratet sein.“
Lisa lachte. „Nein, ich bin Single. Und es gefällt mir. Ich will mich um meine Karriere kümmern.“
„Dann passen Sie auf, dass Sie sich nie auf den Stuhl unserer Sekretärin an der Anmeldung setzen“, warnte Ben düster. „Jede Frau, die in den letzten drei Jahren dort gesessen hat, war innerhalb kürzester Zeit verheiratet und hat ein Kind gekriegt.“
„Hey, verbreitet hier mal keine Gerüchte. Ich bin nicht schwanger!“, rief Ally, die Sekretärin, über den Tisch. „Ich hab noch nicht mal einen Freund.“
„Wart’s nur ab“, gab er zurück. „Ich gebe dir sechs Monate. Dann wird deine Oma Babyschühchen stricken. Dieser Stuhl hat seinen Ruf.“
Belustigt meinte Lisa: „Danke für die Warnung, ich werde dran denken.“ Doch sie hatte nicht vor, in nächster Zeit schwanger zu werden oder eine Beziehung einzugehen. Wenn überhaupt.
„Daddy, du siehst brummig aus“, sagte Beth.
Liebevoll fuhr Joel ihr übers Haar. „Mir geht’s gut, Kätzchen.“ Das stimmte zwar keineswegs, aber vor seiner Tochter wollte er sich nichts anmerken lassen. „Komm, wir müssen zur Schule.“
Wenn er Spätdienst hatte, bedeutete das gewöhnlich, dass Beth schlafen gehen musste, wenn er sie von ihrer Tagesmutter Hannah abholte. Es blieb ihm also nur noch Zeit für eine Gutenachtgeschichte. Und meistens schlief Beth schon vor dem Ende der Geschichte ein.
Das Gute am Spätdienst war jedoch, dass Joel sie selbst zur Schule bringen konnte. Er freute sich, wenn er sah, wie sie ihre Freunde auf dem Schulhof traf, und merkte, was für ein fröhliches und ausgeglichenes Kind sie war. An solchen Tagen dachte er, dass er als alleinerziehender Vater vielleicht doch einen ganz ordentlichen Job machte und Beth auch ohne Mutter gut zurechtzukommen schien.
Doch dann überfielen ihn wieder Schuldgefühle. Wenn er sich doch nur von Anfang an richtig um Vanessa gekümmert hätte!
Schuldgefühle, die durch die erotischen Träume noch verstärkt wurden, die er seit etwa einer Woche hatte. Träume von einer Stationsärztin mit einem feinen Gesicht, blauen Augen, einer sehr direkten Art und einem ansteckenden Lächeln. Solche Träume sollte er eigentlich gar nicht haben.
„Daddy?“
„Ich komme, Süße.“ Joel konzentrierte sich auf seine Tochter, bis die Klassenzimmertür sich öffnete. Beth gab ihm einen Abschiedskuss und lief mit ihren Schulkameraden hinein. Danach ging er wieder nach Hause.
Wieso kriegte er Lisa Richardson einfach nicht aus dem Kopf?
Es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass in seinen Träumen eine andere Frau auftauchte als Vanessa. Das erste Mal seit Vanessas Tod, dass er sich überhaupt zu einer Frau hingezogen fühlte. Aber er durfte diesem Gefühl nicht nachgeben. So etwas wollte er nicht noch einmal riskieren. Denn jetzt betraf es nicht nur sein eigenes Herz, sondern vor allem das von Beth. Und das von Lisa, falls er doch nicht der Richtige für sie war und sie womöglich enttäuschte.
Joel fing an, das Haus zu putzen. In der Hoffnung, dass die Schrubberei ihn von seinen Gedanken an Lisa befreien würde. Seit einem Monat arbeiteten sie jetzt zusammen. Und obwohl er sie für eine ausgezeichnete Ärztin hielt, die gut mit Patienten umgehen konnte, war sie absolut die Falsche für ihn.
Erstens arbeiteten sie in derselben Abteilung, und Beziehungen unter Kollegen gingen selten gut. Außerdem war in Joels Leben neben Beth, der Küstenwache und seiner Arbeit überhaupt kein Platz für eine Beziehung.
Joel schrubbte noch heftiger an dem Kalkstein in der Dusche herum. Nein, er wollte nicht an Lisa Richardson denken. Sich nicht vorstellen, wie weich ihre Haut wäre. Sich nicht fragen, wie es sich anfühlen würde, ihren schönen Mund auf seinem zu spüren.
Doch es funktionierte nicht. Er kriegte sie einfach nicht aus dem Kopf.
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