Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
legte Lidschatten auf und etwas Lippenstift.
Es war ungewöhnlich mild an diesem Abend im Spätfrühling. Als Annie das Fenster öffnete, trug eine leichte Brise den Duft der Kletterrosen herein. Da klopfte es auch schon an ihrer Haustür, und sie eilte hin, um Rafael aufzumachen. Auch wenn sie es sich nicht gern eingestand, war sie doch ein bisschen aufgeregt.
Was in ihm vorging, war seiner Miene nicht zu entnehmen. Er begrüßte sie und reichte ihr den Strauß Tulpen, den er in der Hand hielt.
„Danke“, sagte sie nur und barg die Nase in dem frühlingsfrischen Strauß. „Sie sind wunderschön.“ Annie trat beiseite, um Rafael hereinzulassen. Ihr Herz klopfte immer noch viel zu schnell!
„Wollen wir ein bisschen spazieren gehen?“, fragte sie, weil sie plötzlich das Bedürfnis nach neutralem Boden verspürte. „Ich könnte dir Penhally Bay zeigen.“
„Eine gute Idee.“
Sie holte sich einen leichten Pullover und legte ihn sich über die Schultern. Dann schlugen sie den Weg zum Hafen ein.
„Wie geht es deiner Familie?“, fragte sie. „Und vor allem María? Ich habe oft an sie gedacht.“
„Gut, danke. María hat immer wieder nach der Engländerin mit den traurigen grünen Augen gefragt.“ Er blieb stehen und wandte sich ihr zu. „Aber du siehst nicht mehr traurig aus“, fügte er hinzu und strich mit dem Zeigefinger sanft über ihr Kinn. „Sondern glücklich.“
„Das bin ich auch.“
Sie erreichten den Leuchtturm und blieben stehen, um das herrliche Panorama zu genießen.
„Wenn man das Meer jetzt so sieht, kann man sich nicht vorstellen, dass es hier vor gar nicht langer Zeit eine Flutkatastrophe gegeben hat“, sagte Annie. „Sie richtete großen Schaden an, und einige Gebäude sind immer noch nicht wieder instand gesetzt. Zwei Menschen starben. Penhally Bay ist eine kleine Gemeinde, hier ist jeder betroffen, wenn so etwas Furchtbares passiert.“
„Wie im Dorf meiner Mutter in Andalusien. Jeder kennt jeden, und alle helfen sich gegenseitig. Eine gute Art zu leben.“
„Du glaubst nicht, wie voll es hier in den Sommermonaten ist. Ich liebe es.“
„In meiner Heimat spielt sich das Leben meistens im Freien ab.“ Rafael musterte sie intensiv. „Genau die richtige Umgebung für ein Kind. Statt vor Computerspielen zu hocken wie so viele Kinder in diesem Land, kann es den ganzen Tag draußen spielen.“
Also nutzte er auch diesen Spaziergang, um sie davon zu überzeugen, mit ihrem Kind nach Spanien zu ziehen. Hatte er immer noch nicht begriffen, dass das nicht zur Diskussion stand?
„Hier in Penhally Bay wachsen Kinder auch gesund auf“, erwiderte sie. „Die Älteren surfen oder segeln, und für die Kleinen ist der Strand da. Ich hatte eine wundervolle Kindheit hier. Natürlich lockt Cornwall jährlich Tausende von Touristen an seine Küsten, aber das hat auch sein Gutes. Das Freizeitangebot ist riesig, nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche. Bei uns ist die Verbrechensrate verschwindend gering.“
„Ja, es ist schön hier.“ Rafael ließ den Blick über die Bucht schweifen. „Fast so schön wie bei uns. Aber das Wetter!“ Temperamentvoll hob er beide Hände. „Hier ist es kalt, es regnet oft. Und in Spanien sind Kinder nie allein. Großeltern, Tanten, Onkel und Cousinen und Cousins … irgendjemand passt immer auf sie auf.“
„Rafael?“ Annie beschloss, das Thema zu wechseln.
„ Sí ?“
„Können wir jetzt darüber reden, warum du hier bist? Du hast gesagt, dass du mit Anwälten gesprochen hast. Das war wirklich nicht nötig. Ich hätte alles getan, um ein Baby zu bekommen. Wie könnte ich dir dann verbieten, dein Kind zu sehen?“
Rafaels Miene verdüsterte sich. „Ach, so ist das. Du wolltest ein Kind und hast mich dazu benutzt, dir eins zu verschaffen.“
„Nein!“ Annie war entsetzt. „Du hast mich falsch verstanden …“
Kühl blickte er sie an. „Wirklich? Die Sache ist doch klar: Du hast, was du wolltest“, erklärte er. „Und ich werde mir holen, was mir gehört.“ Der harte Zug um seinen Mund verriet, dass er zu allem entschlossen war.
Annie fröstelte trotz der milden Abendluft. „Nun“, begann sie und richtete sich kerzengerade auf. „Wenn du so über mich denkst, dann haben wir uns nichts mehr zu sagen.“
Damit ließ sie ihn stehen.
4. KAPITEL
In der nächsten Woche hatte Annie immer mal wieder mit Rafael zu tun, aber abgesehen von seinen eindringlichen Fragen nach ihrem Befinden beschränkten sich ihre
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