Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
beschloss, den diensthabenden Arzt zu verständigen.
Natürlich hatte sie gewusst, dass sie Rafael früher oder später über den Weg laufen würde, aber als er jetzt das Wehenzimmer betrat, fing ihr Herz heftig an zu pochen.
Sie zwang sich, ihm gelassen und sachlich Bericht zu erstatten. „Die Herztöne sind wiederholt schwächer geworden, aber der Muttermund ist erst bei fünf Zentimetern. Ich denke, wir sollten das Kind per Kaiserschnitt holen.“
Rafael studierte das CTG und nickte dann. „Richtig. Wir bringen Audrey sofort in den OP. Kann jemanden den Anästhesisten anrufen? Wir brauchen eine Spinalanästhesie. Auf geht’s.“
Annie und ihre Kollegin Julie beruhigten die aufgeregte Mutter und ihren nicht minder aufgeregten Mann und rollten das Bett in den Operationssaal.
Als Rafael die Gebärmutter eröffnete und das Baby herausholte, herrschte atemlose Stille. Dann ertönte ein ungnädiger Schrei, und alle lächelten erleichtert. Rafael reichte das Neugeborene an Annie weiter, die es sofort in eine Decke wickelte und sich vergewisserte, dass die Atemwege frei waren.
„Sie haben einen wunderschönen kleinen Jungen“, verkündete sie den Eltern.
Während Rafael die Wunde nähte, beobachtete Annie gerührt, wie die beiden sich glücklich über ihr Kind beugten. Das ging ihr immer so, wenn ein Baby das Licht der Welt erblickte, aber zum ersten Mal war sie nicht neidisch. In ein paar Monaten würde sie ihr eigenes Kind in den Armen halten.
Sie blickte auf und sah, wie Rafael sie ernst betrachtete. Hatte er gerade das Gleiche gedacht?
Sobald sie Mutter und Kind auf der Wöchnerinnenstation untergebracht hatten, eilte Annie in ihr Zimmer. Sie brauchte dringend einen Raum, wo sie einen Moment ungestört sein konnte. Wie würde das noch werden, wenn sie Rafael in den nächsten Monaten täglich sah? Gestern hatte sie ihm gesagt, er möge gehen, sie würden ein andermal weiterreden.
Doch was sollte sie ihm sagen? Dass sie die Nacht mit ihm nie vergessen hatte? Dass sie all ihren Willen hatte aufbringen müssen, um ihn nicht anzurufen? Wie würde er reagieren, wenn sie ihm gestand, dass das Wiedersehen ihre Sehnsüchte von Neuem geweckt hatte? Dass sie auf einmal alles wollte – das Kind und ihn dazu? Ja, sogar seine Liebe?
Aber sie wusste, dass dieser Traum nicht in Erfüllung gehen würde. Hätte ihm ihre Liebesnacht etwas bedeutet, so hätte er sich schon viel früher bei ihr gemeldet.
Während sie versuchte, sich auf ihre Notizen zu konzentrieren, spürte sie, dass sie beobachtet wurde. Annie sah auf.
Rafael stand am Türrahmen und musterte sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen. „ Hola “, sagte er sanft. „Darf ich reinkommen?“
„Jetzt passt es schlecht. Ich muss diese Unterlagen vervollständigen, bevor die Nachmittagssprechstunde anfängt.“
Er ignorierte ihre Antwort und betrat das Zimmer. „Wann hast du dann Zeit? Wir müssen über das Baby reden.“ Der zuckende Muskel an seiner Wange verriet, dass Rafael nicht ganz so entspannt war, wie es den Anschein hatte.
„Was gibt es da noch zu besprechen?“, entgegnete sie abwehrend, fing sich aber gleich wieder. Er war nun einmal hier, und sie würde ihn tagtäglich sehen. Daran konnte sie nichts ändern. „Okay“, fügte sie seufzend hinzu. „Willst du heute Abend zu mir kommen? So gegen sieben? Dann reden wir, ja?“
Mit zwei langen Schritten war er an ihrem Schreibtisch und beugte sich vor, die schlanken gebräunten Hände auf die Platte gestützt. Ihr Herz flatterte wie ein gefangener Schmetterling, und sie musste sich sehr zusammennehmen, um nicht aufzuspringen und hinauszulaufen.
Rafael blickte ihr eindringlich in die Augen. „Gut. Heute Abend also.“ Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und verschwand.
Ihr Dienst hatte etwas länger gedauert. Annie räumte in Windeseile auf und ging unter die Dusche. Während sie sich von oben bis unten einseifte, spürte sie die leichte Schwellung ihres Bauches unter den Fingern. Ein zärtliches Lächeln glitt über ihr Gesicht. Mein Baby …
Sie spülte den Schaum ab und drehte den Hahn zu. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, nahm sie eine saubere Jeans aus dem Schrank. Frustriert und glücklich zugleich stellte sie fest, dass der oberste Knopf nicht mehr zuging. Es wurde Zeit, dass sie sich Umstandskleidung kaufte.
Die Jeans landete auf dem nächsten Stuhl, und Annie streifte sich ein schlichtes Kleid über. Dann bürstete sie sich die Haare, bis sie seidig glänzten,
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