Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
Schwangerschaft verändert die Prioritäten im Leben einer jeden Frau. Und ihr Kind hatte sie verändert. Für immer.
Obwohl sein Verrat sie schrecklich verletzt hatte, zwang Vivienne sich, nicht aufzugeben. Schließlich trug sie die Verantwortung für ihr Kind. Aus ihr war eine selbstbewusste Frau geworden. Und eine Ärztin, die hart für ihren Erfolg gekämpft hatte, um ihrem Sohn das Leben zu ermöglichen, das er verdiente. Er war ihr ein und alles.
Lange hatte sie sich mit der Frage gequält, ob sie Ghaleb von seinem Sohn erzählen sollte. Doch sie hatte sich dagegen entschieden. Das Risiko war einfach zu hoch gewesen.
Als Thronfolger eines äußerst konservativen Königreichs war in Ghalebs Leben nun einmal kein Platz für sie. Die wenigen Monate in den USA waren lediglich eine kurze, gestohlene Zeitspanne gewesen. Da Vivienne nicht hatte abschätzen können, wie er auf die Neuigkeit reagieren würde, hatte sie geschwiegen. Zu groß war ihre Angst gewesen, dass er Mittel und Wege finden würde, um ihr den Sohn wegzunehmen.
Sie hatte es geschafft, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie auch ohne Ghaleb leben konnte. Und sie war entschlossen gewesen, dafür zu sorgen, dass auch Sam nicht den Vater vermisste. Als dann noch ihre Tante Anna zu ihnen zog, war für Vivienne die kleine Familie perfekt.
Doch je älter Sam wurde, desto hartnäckiger fragte er nach seinem Vater. In der letzten Zeit waren seine Fragen immer drängender und verzweifelter geworden.
Nur schwer hatte sie der Versuchung widerstanden, ihm einfach zu sagen, dass sein Vater gestorben sei. Letztlich hatte sie es nicht übers Herz gebracht, ihn derart zu belügen. Stattdessen hatte sie monatelang darüber nachgegrübelt, was sie tun sollte. War es ihre Pflicht, Vater und Sohn zusammenzubringen? Würde es Sam guttun, wenn Ghaleb eine Rolle in seinem Leben spielte? Sollte sie es wagen, ihn zu kontaktieren?
Es war ihr wie ein Wink des Schicksals erschienen, als genau zu dieser Zeit Ghalebs Stellenangebot in der internationalen medizinischen Presse erschien. Dieser fachlich und finanziell äußerst attraktive Job stellte die einmalige Gelegenheit dar, völlig unverbindlich für eine Weile in Omraania zu leben. Die Chance, die Antwort auf ihre Fragen zu finden.
Und nun war Vivienne hier. Sie hatte Ghaleb – wenn auch nur von Weitem – bereits gesehen, und sicher würde sich bald die Gelegenheit zu einem Gespräch ergeben.
Doch was würde geschehen, wenn er sie genauso verächtlich behandelte, wie er es damals getan hatte? Könnte sie eine weitere Demütigung ertragen? War es denkbar, dass er Sam entführte und sie aus seinem Land auswies?
Hatte sie einen schrecklichen Fehler gemacht?
Sollte sie so schnell wie möglich mit Anna und Sam wieder abreisen?
Schluss jetzt! Atme tief durch. Das alles hast du schon tausendmal in Gedanken durchgespielt .
Ihre Entscheidung war richtig gewesen. Vivienne war es Sam schuldig, sich mit Ghaleb auseinanderzusetzen.
Entschlossen löste sie ihre verkrampften Finger und atmete tief ein. Sie würde es schaffen. Und danach würde alles besser sein …
„Dr. LaSalle? Würden Sie mir bitte folgen?“
Sie zuckte zusammen. Wie hatte sie nur so mit ihren Gedanken abschweifen können? Verlegen räusperte sie sich und sah Adnan an, der direkt vor ihr stand. „Wie bitte?“
„Verzeihen Sie. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, dass das heutige OP-Programm ansteht.“
„OP-Programm?“, fragte sie verblüfft. „Ich dachte, wir machen heute nur einen Rundgang durch die Klinik …“
„Das muss leider warten“, erklärte Adnan, der sich sichtlich unbehaglich fühlte. „Es gab eine kleine Programmänderung.“
Was hatte das zu bedeuten? Zweifellos steckte Ghaleb dahinter. Aber was bezweckte er damit?
„Gab es einen Notfall?“, fragte sie bemüht ruhig.
„Nein, Dr. LaSalle“, erwiderte Adnan einsilbig und führte sie zum OP-Trakt. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Ghaleb blickte auf seine Hände, die das Waschbecken umklammert hielten. Sein Griff war so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Gleich war es so weit.
Er würde Vivienne zeigen, dass es ihr diesmal nicht gelungen war, ihn zu täuschen.
Es war vollkommen legitim, ihre Qualifikation zu überprüfen. Am OP-Tisch würde er ihr die Möglichkeit geben, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Oder aber ihre Defizite.
Ghaleb zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sie versagen würde.
In
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