Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
längst vergessen geglaubten Verlangen. Doch mitten in dem Durcheinander, das in seinem Kopf und in seinem Herzen tobte, meldete sich Ghalebs Vernunft. Er musste dafür sorgen, dass sie Omraania wieder verließ. Sofort.
Sonst könnte er für nichts garantieren.
Warum war sie überhaupt hier? Vermutlich aus dem gleichen Grund, der sie damals in seine Arme getrieben hatte. Sie wollte als seine Geliebte ein Leben in Luxus und Wohlstand führen. Sollte er darauf eingehen? Sie war ja gerade dabei, sich ihm quasi auf dem Silbertablett anzubieten. Warum also nicht?
Doch Ghaleb war bewusst, dass er im Grunde etwas anderes wollte.
Dies war seine Chance, ihr wahres Gesicht zu erkennen und endlich das völlig verklärte Bild von ihr abzuschütteln, das sich ihm ins Gedächtnis gebrannt hatte.
Endlich würde alles ein Ende haben, und er wäre frei von der Wehmut, die ihn seit Jahren beherrschte.
Und er wusste auch, wie er es anstellen musste.
Entschlossen wandte er sich an Adnan. „Suchen Sie mir bitte umgehend einen neuen Stellvertreter.“
Erschrocken über die Heftigkeit von Ghalebs Worten, versuchte Adnan, ihn zu beschwichtigen. „Prinz Ghaleb, ich weiß genau, was Sie denken. Als ich diese Frau das erste Mal sah, konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass sie für die Stelle geeignet wäre. Aber …“
„Aber sie hat Sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln überzeugt?“, fragte Ghaleb sarkastisch. „Nun, mal sehen, ob sie auch mich überzeugen kann. Sagen Sie ihr, dass ich sie im OP erwarte.“
Verständnislos sah Adnan ihn an. „Dann wollen Sie also doch ein Einstellungsgespräch mit ihr führen?“
„Im Gegenteil. Ich will einfach nur den OP-Plan für heute abarbeiten.“ Ghaleb wandte sich um und ging zu seiner Bürotür. „Und Sie fangen bitte mit der Suche an.“
Vivienne sah sich aufmerksam in der Klinik um, die als eine der modernsten auf der Welt galt. Ihre vier Begleiter benahmen sich, als sei sie ein Staatsoberhaupt, das bewacht werden musste.
Sie konzentrierte sich darauf, ruhig zu atmen und Gelassenheit auszustrahlen, ohne zu sehr auf die neugierigen Blicke zu achten, die ihr von allen Seiten zugeworfen wurden. Übelkeit und Unsicherheit hatten sie befallen, noch bevor sie die Klinik betreten hatte. Und völlige Erschöpfung.
Sie hatte bis kurz vor ihrem Abflug im OP gestanden, war dann nach Hause gefahren, um Sam und Anna abzuholen, und hatte während des dreizehnstündigen Flugs nicht geschlafen. Nachdem sie dann vor zwei Stunden in Omraania gelandet waren, hatte sie Sam und Anna in dem großzügigen Haus abgesetzt, das ihr zur Verfügung gestellt worden war, und war sofort zu ihrem neuen Arbeitsplatz gefahren.
Als sie bemerkte, dass sie von allen wie ein Mitglied der königlichen Familie behandelt wurde, war sie sprachlos vor Erstaunen gewesen. Doch Adnan El Khalil hatte ihr erklärt, dass dies eben das übliche Gebaren gegenüber hochgestellten Persönlichkeiten war. Und als stellvertretende Leiterin des größten medizinischen Zentrums des Landes stellte sie eine solche Persönlichkeit dar. Prinz Ghaleb hätte jedem anderen, der diese Position innehatte, die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt.
Genau da lag ein weiteres Problem. Vivienne konnte es noch immer nicht fassen, dass er tatsächlich ihr diese Stelle gegeben hatte – auch wenn sie natürlich seinen Anforderungen zu hundert Prozent entsprach.
Als sie sich beworben hatte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie tatsächlich eine Chance haben könnte. Doch man hatte sich für sie entschieden, und Vivienne hatte mehr als einmal überlegt, ob Ghaleb sie vielleicht ganz einfach vergessen hatte. Oder betrachtete er ihre gemeinsame Vergangenheit als so unbedeutend, dass er sich deshalb nicht davon abhalten lassen wollte, die beste Bewerberin einzustellen?
Wie auch immer – nun war sie hier. In seinem Königreich. Und es würde sich nicht vermeiden lassen, dass sie sich begegneten.
Vivienne war sich nicht mehr sicher, ob sie das wollte. Wie sollte sie dem Mann gegenübertreten, den sie einst so maßlos geliebt hatte, dass nicht einmal ein winziger Rest von Selbsterhaltungstrieb übrig war? Zumal dieser Mann, nachdem sie sich ihm hingegeben hatte, einfach ohne ein Wort des Abschieds aus ihrem Leben verschwunden war?
Doch die Verzweiflung darüber, ihn verloren zu haben, trat schon bald genauso in den Hintergrund wie die Trauer und die Wut darüber, dass er sie so rücksichtslos und grausam abserviert hatte. Eine
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