Julia Ärzte zum Verlieben Band 37

zeichnen. Am besten gelingen mir Pferde und Falken. Das könnte ich dir zeigen.“
    Glücklich rannte Sam die Treppe hinauf in sein Zimmer.
    Sobald er außer Hörweite war, wandte Anna sich an Ghaleb. „Wow, das war beeindruckend. Normalerweise spricht er mit Unbekannten kein einziges Wort. Er hat in der Schule sogar ziemlich große Probleme wegen seiner Distanziertheit.“
    Fassungslos sah Ghaleb sie an. „Das kann doch nicht sein! Ich bin noch nie einem Jungen begegnet, der kommunikativer und wissbegieriger war als Sam.“
    „Das ist es ja gerade, was mich so erstaunt. Es muss an Ihnen liegen. Obwohl er Sie nicht kennt, scheint er sich in Ihrer Nähe wohlzufühlen.“
    In Ghalebs Kopf wirbelten hunderte von Fragen durcheinander. Er wusste nicht, womit er anfangen sollte, und so kam wie von selbst eine Feststellung aus seinem Mund. „Sie lieben ihn sehr.“
    Annas Gesicht spiegelte deutlich ihre Gefühle wider. „Er ist mein Leben. Er und Vivienne. Sie sind das Enkelkind und die Tochter, die ich nie hatte. Zu Vivienne hatte ich schon immer ein gutes Verhältnis, und nach dem Tod meiner Schwester ist es noch enger geworden.“
    Ghaleb schluckte schwer. Viv hatte völlig recht, wenn sie behauptete, er wisse im Grunde nichts über sie. Er hatte ihr nie Fragen über ihre Familie gestellt.
    Doch nun wollte er alles erfahren. Er musste …
    „Sie sagten vorhin, dies sei Sams erstes Gespräch unter Männern gewesen“, fing er an und versuchte, seine Stimme beiläufig klingen zu lassen. „Was ist denn mit seinem Vater?“
    Anna zuckte resigniert die Schultern. „Ich weiß nichts über ihn. Es war eine flüchtige Romanze, zu einem Zeitpunkt, als es Vivienne sehr schlecht ging. Sie spricht niemals über ihn.“
    Ghaleb zuckte unmerklich zusammen. Wenn Sam ungefähr sechs Jahre alt war, dann musste es unmittelbar nach dem Ende ihrer Affäre geschehen sein. War es Viv deshalb so schlecht gegangen? Hatte er, Ghaleb, ihr womöglich doch etwas bedeutet? Hatte sie sich dem nächstbesten Mann an den Hals geworfen, weil er sie verlassen hatte?
    Dieser Gedanke war ihm unerträglich. Schnell wechselte er das Thema. „Wie geht es Vivs Vater?“
    Irritiert sah Anna ihn an. Doch dann schien sie zu begreifen. „Ach ja, Sie haben ja in der gleichen Klinik gearbeitet wie Vivienne und Robert. Daher kennen Sie ihn. Und deshalb nennen Sie sie Viv, nicht wahr?“
    Nun wusste Ghaleb mit Sicherheit, dass Viv ihrer Tante nichts von ihrer Affäre erzählt hatte.
    „Viviennes Vater geht es gut. Wir haben keinen Kontakt zu ihm. Angeblich ist er gerade auf Hochzeitsreise mit seiner fünften Frau. Sie ist zehn Jahre jünger als Viv.“
    „Waren Vivs Eltern schon geschieden, als ich sie damals kennenlernte?“
    Anna lächelte spöttisch. „Falls Sie sie kurz nach ihrer Geburt kennengelernt haben, ja. Die Ehe hielt nur wenige Monate. Er hatte Laura wegen einer Erbschaft geheiratet, aus der dann doch nichts geworden ist. Und als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte, verließ er sie. Er wollte einen Abbruch. Da meine Schwester sich weigerte, war er außer sich vor Wut. Er hat sich gerächt, indem er Viv nie als seine Tochter anerkannte.“
    Ghaleb konnte kaum glauben, was er da hörte. „Aber sie hat doch in seiner Klinik gearbeitet.“
    „Sie wollte selbst herausfinden, ob das, was wir ihr über Robert erzählt hatten, der Wahrheit entsprach. Es war wichtig für sie, sich ein eigenes Bild zu machen. Leider musste sie feststellen, dass wir ihn eher noch zu positiv dargestellt hatten.“
    „Er hat sie auch dann nicht anerkannt?“, brachte Ghaleb fassungslos hervor.
    „Schlimmer. Er hat sie gefeuert und sogar versucht, ihr eine Klage wegen Verstoßes gegen das Berufsethos anzuhängen. Fast hätte sie ihre Approbation verloren. Er tat alles, um ihren Ruf zu ruinieren. Es grenzte an ein Wunder, dass sie danach eine neue Stelle gefunden hat.“
    Das war also der Rückschlag gewesen, von dem sie gesprochen hatte. Ihr eigener Vater hatte versucht, sie fertigzumachen.
    Ghalebs Kiefergelenke schmerzten vor Anspannung. Genau wie seine Fingerknöchel, da er die Fäuste ballte, um die hilflose Wut zu unterdrücken, die in ihm aufgestiegen war. Wie gern hätte er diesem Mann mit gleicher Münze heimgezahlt. Nie zuvor hatte Ghaleb solche Rachegelüste verspürt.
    Die arme Viv hatte keinen anderen Ausweg gewusst, als sich in eine aussichtslose Affäre zu stürzen, nachdem erst ihr Lover und dann ihr Vater sie im Stich gelassen hatten?
    Dafür