Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
wusste, was sie durchgemacht hatte, wie sie sich behauptet hatte und wie falsch er sie eingeschätzt hatte, verzehrte das Verlangen nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Seele. Und dann war da noch Sam …
„Das war ja ein rekordverdächtig langes Bad.“ Anna hatte sich erhoben und bemühte sich um einen lockeren Tonfall, während sie Viv einen Blick zuwarf, der verwundert und tadelnd zugleich war. „Ich wollte schon nach oben gehen und nachsehen, ob du vielleicht eingeschlafen bist.“
Doch Viv hatte nur Augen für Ghaleb. Vor Wut blitzende Augen. Sie wirkte noch wütender auf ihn als am ersten Abend. Wenige Sekunden später brachte sie ihre Unbeherrschtheit unter Kontrolle. Mit einem halbherzigen Lächeln wandte sie sich an Anna und Sam.
„Also gut, ihr Lieben. Höchste Zeit, euch für euren Ausflug in die Stadt fertig zu machen. Ich muss noch kurz etwas mit Prinz Ghaleb besprechen, bevor ich zur Arbeit gehe.“
„Aber Mom! Ghaleb zeigt mir gerade, wie man einen Falken malt!“, protestierte Sam.
Wenn er seiner Mutter erzählt hätte, dass Ghaleb ihm gerade zeigte, wie man einen Falken jagt , hätte sie nicht schockierter sein können. Auf den Schock folgte Entsetzen. Und dann gewann wieder Wut die Oberhand in ihren Augen.
Doch Vivs Selbstbeherrschung funktionierte. Sie wich Ghalebs Blick aus und wandte sich an ihren Sohn. „Sam, Erwachsene spricht man nicht einfach mit ihrem Vornamen an.“
„Aber er hat gesagt, dass ich ihn Ghaleb nennen soll“, verteidigte Sam sich. „Und er bringt mir bei, wie man Falken malt. Und Pferde.“ Er griff nach dem Block. „Sieh doch mal!“
„Sehr nett. Dennoch ist Ghaleb nicht hier, um dir Zeichenunterricht zu geben. Er möchte mit mir über die Arbeit sprechen, und er ist ein sehr beschäftigter Mann, den wir nicht lange aufhalten wollen. Geh jetzt bitte mit Anna nach oben. Und bedank dich bei Ghaleb dafür, dass er so nett zu dir war.“
Sam und Ghaleb sahen sich an und brachen in Gelächter aus.
Irritiert blickte Viv von einem zum anderen. „Ich weiß zwar nicht, was daran so lustig sein soll, aber es freut mich, dass ihr euch amüsiert. Okay, das reicht jetzt. Geh nach oben, Sam!“
Ohne Vorwarnung schlang Sam die Arme um Ghalebs Hals und drückte sich an ihn.
Im Raum herrschte plötzlich tödliche Stille. Schließlich löste Sam sich von seinem neuen Idol, kletterte vom Sofa herunter und lief auf die sichtlich bewegte Anna zu.
Aufgewühlt von Sams offener Sympathiebekundung sah Ghaleb Viv an. In ihren Augen lag ein Ausdruck, den er nicht zu deuten vermochte. Zorn? Entsetzen? Oder etwa Angst?
Als Sam und Anna die Treppe hinaufgingen, erhob Ghaleb sich. „Jameel, einer meiner besten Fahrer, wartet draußen, um Sie zu chauffieren. Er spricht gut Englisch und kennt Jobail wie seine Westentasche. Ein perfekter Stadtführer.“
„Aber wir können doch nicht Ihren Fahrer beanspruchen!“, protestierte Anna.
„Mein Fahrer ist Abdur-Rahman.“ Er bemerkte Vivs erstaunten Blick. „Von jetzt an holen wir dich jeden Morgen ab, Viv, und bringen dich abends wieder nach Hause. Es liegt auf unserem Weg.“ Ein wenig genoss er ihren entsetzten Gesichtsausdruck. „Deshalb bin ich auch hier. Ich wollte nicht mit dir reden, sondern mit dir gemeinsam in die Klinik fahren. Es hat mich sehr gefreut, bei dieser Gelegenheit deine reizende Familie kennenzulernen.“ Er wandte sich wieder an Anna und Sam. „Und da wir nun Freunde sind, hoffe ich sehr, dass Sie mir die Ehre erweisen, morgen Abend meine Gäste zu sein.“
Wortlos starrte Viv aus dem Fenster. Die Situation war außer Kontrolle geraten.
Er hatte Sam gesehen.
Fast hätte sie der Schlag getroffen, als sie vorhin Ghaleb mit Anna und Sam auf dem Sofa hatte sitzen sehen. Die perfekte Familienidylle.
Panik hatte sie befallen. Sie hätte ihre Familie niemals nach Omraania mitnehmen dürfen!
Wie hatte sie nur so dumm sein können zu glauben, dass Ghaleb und Sam sich niemals begegnen würden?
Und nun brachte er Sam bei, wie man Falken zeichnete!
Wieder sah sie die Szene vor ihrem geistigen Auge: Sam, Anna und Ghaleb gemütlich auf dem Sofa sitzend. Sams bewundernder, fast schon ehrfürchtiger Blick, seine offene Zuneigung Ghaleb gegenüber. Und dann Ghalebs Gesicht, das eine Mischung aus Erstaunen, Abwehr und … Zärtlichkeit widerspiegelte.
Die Erinnerung daran war genauso herzzerreißend wie der Augenblick selbst es gewesen war. Lieber Himmel … Sie lehnte die Stirn an die kühle Fensterscheibe,
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