Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
ihre Beine gehorchten ihr nicht. Ihre Knie zitterten, jeder einzelne Schritt bedeutete einen ungeheuren Kraftakt.
Viv wusste natürlich, dass es nicht an der hohen Arbeitsbelastung lag, die diesen Erschöpfungszustand hervorrief. Im Gegenteil – die vielen verschiedenen Aufgaben im Jobail Advanced Medical Center machten ihr riesigen Spaß. Sie genoss die Herausforderung, sowohl für die Öffentlichkeitsarbeit als auch für die Ausbildung der Assistenzärzte zuständig zu sein und gleichzeitig täglich mehrere anspruchsvolle Operationen durchzuführen. Alles wäre wunderbar, würde Ghaleb sie nicht ständig verunsichern. Ghaleb, dessen Blicke sie ständig verfolgten, dessen Kommentare sie völlig aus dem Konzept brachten, und dessen offenkundiges Werben um sie verheerende Folgen für ihr inneres Gleichgewicht hatte.
Ghaleb, der sie wieder in sein Bett locken wollte.
Endlich. Sie hatte es sich eingestanden. Hatte es in Worte gefasst.
Er wollte genau dort weitermachen, wo sie damals aufgehört hatten.
Auch wenn aus Gründen der Staatsräson seine Verlobung unmittelbar bevorstand. Zumindest hatte sie dieses Gerücht schon kurz nach ihrer Ankunft in Omraania mehrfach gehört. Nicht wenige Frauen beklagten den Umstand, dass der attraktivste Junggeselle des Landes – wenn nicht gar der Welt – in Kürze vergeben sein würde.
Doch offensichtlich ließ er sich von seiner anstehenden Hochzeit nicht davon abhalten, ihr den Hof zu machen. Warum auch? Als Scheich und Kronprinz eines unermesslich reichen Landes hielt er es vermutlich für sein gutes Recht, eine – oder auch mehrere – Geliebte zu haben. Und sie, Viv, sollte sich wohl in diese illustre Schar einreihen, wenn es nach ihm ging. Anders waren seine großzügigen Angebote wohl kaum zu erklären. Er wartete wohl nur darauf, dass sie ihren Preis nannte.
Inzwischen glaubte Viv, sich sein erneutes Interesse an ihr auch erklären zu können. Ihre Respektlosigkeit hatte seinen Jagdinstinkt geweckt, und ihre konsequente Unnahbarkeit stachelte ihn immer weiter an. Je mehr sie sich ihm entzog, desto stärker wurde sein Verlangen.
Um sie erneut zu erobern, bediente er sich einer ausgeklügelten Taktik. Er ließ sie kaum einen Augenblick allein, zeigte ihr immer wieder, wie wundervoll es sein konnte, mit ihm zusammenzuarbeiten – mit jemandem, der ihre Gedanken zu lesen schien und sie perfekt ergänzte. Sehr subtil demonstrierte er ihr, dass sie noch nie unter so optimalen Bedingungen gearbeitet und noch nie so angenehm gelebt hatte. Inzwischen wusste sie genau, was sie alles verlieren würde, sobald sie in die USA zurückkehrte.
Noch bevor sie ihn verstandesmäßig durchschaut hatte, hatte sie unbewusst die Gefahr erkannt, die von ihm ausging. Genau aus diesem Grund hatte sie mit allen Mitteln dagegen angekämpft, dass er in ihre Gedanken und ihre Gefühle eindrang. Diese mentale Anstrengung hatte sie völlig ausgelaugt.
Endlich ließ sie sich erleichtert auf den Rücksitz der Limousine fallen. Geschafft.
Als sie Abdur-Rahmans besorgten Blick bemerkte, rang Viv sich ein Lächeln ab. „Es war ein harter Tag.“
„Sie arbeiten zu viel, ya Sayedati . Genau wie Seine Hoheit, Prinz Ghaleb.“
Bewegt von der Ernsthaftigkeit seiner Worte, lächelte Viv ihn dankbar an. Dann schloss Abdur-Rahman die Tür, und sie konnte sich endlich entspannt zurücklehnen und die Augen schließen.
Sofort musste sie an Sam denken.
Er war der einzige Mensch, der sie wirklich brauchte.
Nachdem Viv aus seinem Blickfeld verschwunden war, kehrte Ghaleb in seine Privatgemächer auf der chirurgischen Station zurück. Auf dem Weg zur Dusche zog er sein Sweatshirt aus und warf einen Blick in den Spiegel. Wie angewurzelt blieb er stehen.
Um Himmels willen! Gehörte dieser wilde, hungrige Blick wirklich zu ihm?
Wenn ja, konnte er dankbar sein, dass heute alle Kollegen nur Augen für Viv gehabt hatten.
Ghaleb atmete tief durch und versuchte, eine gleichgültige Miene aufzusetzen.
Was passierte nur gerade mit ihm? Was machte sie mit ihm?
Vor sieben endlosen Jahren hatte sie drei Monate lang sein Leben auf den Kopf gestellt. Danach war er sicher gewesen, sie niemals wiederzusehen. Und nun, nach nur acht Tagen, war er schon wieder nicht mehr er selbst.
Prüfend betrachtete er sich im Spiegel und erkannte zu seinem Entsetzen tiefe Traurigkeit und Verzweiflung in seinen Augen. Seit seiner Kindheit war für ihn klar gewesen, dass sein Leben von Verpflichtungen und Verantwortung für sein Volk
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