Julia Ärzte zum Verlieben Band 45
sie zu ihm auf. Ein ruhiger, forschender Ausdruck lag in seinem Blick.
„Na ja, ein Mädchen aus einer reichen Familie, das Angst vor Waffen hat – das klingt, als seist du einmal Opfer einer Entführung geworden.“
Emmy sog scharf die Luft ein und wurde weiß wie die Wand.
„Wie alt warst du damals?“
„Fünf“, brachte sie mit belegter Stimme hervor, sodass Dart sie kaum verstand. Ihre Hand begann zu zittern, und er zog sie fest in die Arme.
„Oh, Emmy.“ Entführt, mit fünf Jahren! Jetzt begriff er so einiges … „Hat man dich verletzt? Haben sie …“
„Nein. Ich war nur 24 Stunden in ihrer Gewalt. Dann hat mein Vater das Lösegeld bezahlt. Abgesehen davon war ich die meiste Zeit betäubt und habe nicht viel mitbekommen.“
Dart empfand heftiges Mitgefühl für das kleine Mädchen, das sie gewesen war, alleine in den Händen der Entführer und vollkommen verängstigt. „Wie sind sie an dich herangekommen?“
„Ich war mit unserem Chauffeur Patrick auf dem Weg zur Schule. Auf einmal hielt er an und stieg aus. Ein Mann riss die Tür auf und sprang neben mir auf den Rücksitz. Er trug eine Maske und hatte eine Pistole. Ein zweiter Mann stieg vorne ein und … Danach ist meine Erinnerung verschwommen.“
Sie atmete tief durch. „Mein Vater ging auf die Forderungen der Entführer ein. Ein Privatdetektiv, den er eingeschaltet hatte, brachte mich nach Hause. Mein Kindermädchen stand in der Tür, völlig aufgelöst. Sie weinte und umarmte mich. Patrick lag im Krankenhaus. Ich weiß noch, dass wir ihn zusammen besucht haben. Meine Eltern …“
Emmy verstummte. Tränen standen in ihren Augen, und der Hals wurde ihr eng. „Na ja, sie waren gar nicht zu Hause, als ich zurückkehrte. Sie hatten einen Arzt bestellt, um mich untersuchen zu lassen, aber meinen Vater habe ich erst zwei Tage später wiedergesehen. Er erklärte mir, dass das, was mit mir passiert war, unangenehm gewesen sei, aber dass er genau für solche Fälle eine bestimmte Summe Geldes beiseitegelegt hatte – für mich und für meinen Bruder.“
Emmy schüttelte den Kopf und zuckte die Schultern, während ihr Zornestränen über die Wangen liefen. „Keine Umarmung. Kein Wort des Trostes für seine verängstigte kleine Tochter. Auch mit meiner Mutter habe ich nie über den Vorfall gesprochen. Meine Eltern gingen einfach zur Tagesordnung über. Sie hatten bezahlt. Ich war freigekommen. Ende der Geschichte.“
Dart war schockiert. „Und die Polizei?“
„Wurde nicht informiert. Soweit ich weiß, kamen die Entführer nie vor Gericht. Dafür nahmen mich meine Eltern von der Schule und schickten mich auf ein Internat, wo ich rund um die Uhr unter Aufsicht stand.“
„Aber du warst erst fünf!“
„Und meinen Eltern vor allem lästig. Jahrelang habe ich geglaubt, dass ich selbst daran schuld sei, was mir passiert war, und dass ich nun dafür bestraft würde.“
Dart konnte nicht fassen, was er hörte. „Wie lange warst du in diesem Internat?“
„Bis zu meinem Schulabschluss. Meine Mutter habe ich nur hin und wieder gesehen, wenn sie mich zu bestimmten Terminen mitgenommen hat, damit ich lerne, wie sich eine wohlerzogene junge Dame in der Öffentlichkeit verhält. Haltung, Etikette und eine gewählte Ausdrucksweise, das war mein Leben, bis ich volljährig wurde und wusste, dass ich mehr erleben wollte als Kunstausstellungen und Dinnerpartys.“ Sie lachte auf. „Du hast mich ein armes reiches Mädchen genannt, Dart. Wenn du wüsstest, wie recht du damit hattest.“
„Emmy, ich hatte keine Ahnung, was du alles durchmachen musstest. Du bist so stark und selbstsicher.“
„Selbstsicher?“ Emmy schüttelte den Kopf. „Wohl kaum.“
„Doch, das bist du. Du weißt, was du willst, und du lässt dich nicht aufhalten. Du wolltest Medizin studieren, und das hast du getan. Du wolltest nach Tarparnii fahren, und hier bist du.“
Emmy schloss für einen Moment die Augen, bevor sie das aussprach, was ihr auf der Seele brannte. „Nein, ich bin nicht stark. Bis heute, als ich ganz alleine das Baby geholt habe, habe ich noch nicht einmal daran geglaubt, dass ich eine gute Ärztin bin.“
„Du bist sogar eine großartige Ärztin, Emmy.“
„Aber vorhin, als der Regen kam, da hast du mich irgendwie ausgeschlossen. Ich habe gemerkt, dass meine Stärke nicht ausreicht, um die Mauer um dich herum zu überwinden. Dart, ich würde so gerne alles hören, was du mir zu sagen hast. Ich möchte dich unterstützen, für dich da sein,
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