Julia Ärzte zum Verlieben Band 49
ausgestanden ist.“
„Warum? Damit du dir hinterher keine Vorwürfe machen musst, falls sie doch nicht überleben?“, fragte er. „Sicherlich besteht immer ein Risiko. Aber ich möchte den Menschen das Gefühl geben, dass ich an die Heilung glaube. Diese Zuversicht, dass sich alles zum Guten wendet, ist sehr wichtig.“
„Es kann durchaus sein, dass Jennifer Upton nicht durchkommt.“
„Das hast du ihrem Mann hoffentlich nicht mitgeteilt, oder?“
„Ich versuche, realistisch zu sein. Wenn ich ihnen die Wahrheit sage, kann ich sie auf das Schlimmste vorbereiten. Dann ist der Schock nicht so groß, wenn der Fall tatsächlich eintritt.“
„Ich finde das sehr pessimistisch“, meinte Lewis. „Aber es passt zu dir – angesichts dessen, was zwischen uns geschehen ist.“
„Wie meinst du das?“
„Du hast immer das Schlimmste von mir angenommen: Ich war nicht da für dich. Meine Karriere ging immer vor. Ich habe nicht begriffen, was der Verlust des Babys für dich bedeutet. Ich habe dich nicht so geliebt, wie du geliebt werden wolltest. Ich habe nicht genügend in unsere Beziehung investiert. Fehlt noch etwas?“
Mikki umklammerte das Steuer so fest, dass ihre Finger schmerzten. „Reden wir hier über die Beziehung, die noch eher vorbei gewesen wäre, wenn ich nicht schwanger geworden wäre?“
„Du hast mich nicht ein Mal gefragt, warum ich nicht bei dir war, als du das Baby verloren hast“, stieß er hervor. „Du hast lieber deinen Vermutungen vertraut.“
Sie öffnete den Mund. Als sie Lewis’ Miene bemerkte, schloss sie ihn aber wieder.
„Ich war im OP, mitten in einer sehr riskanten Operation“, fuhr er fort. „Der Chefarzt gehörte zu denen, die alles von ihren Mitarbeitern fordern. Privates hatte an zweiter Stelle zu stehen. Die tragische Ironie dabei war, dass der Patient drei Tage später verstarb. Und so hatte ich gleich doppelt verloren.“
Endlich fand Mikki ihre Stimme wieder. „Ich wünschte, du hättest es mir erzählt. Das hätte ich verstanden.“
„Dazu hast du mir keine Gelegenheit gegeben“, hielt er dagegen. „Ich war kaum zur Tür hereingekommen, da hast du mich mit einem Blick angesehen, als wäre ich der übelste Kerl der Welt. Trotzdem wollte ich dir nicht auch noch einen Streit zumuten. Ich dachte, wir würden später in Ruhe darüber reden.“
„Doch dazu ist es nie gekommen …“
Der Lederbezug knarrte leise, als Lewis sich im Sitz bewegte. „Nein.“
Mikki spürte, dass Lewis sie betrachtete. Dennoch blickte sie geradeaus auf die Straße. „Ich war nie so richtig davon überzeugt, dass du eine Familie haben wolltest“, erklärte sie. „Mir kam es so vor, als würde ich deine Karriere ruinieren.“
„Okay, Ehe und Kinder standen damals nicht ganz oben auf meiner Wunschliste“, räumte Lewis ein. „Inzwischen sehe ich das allerdings anders. Eine gute Beziehung kann das Leben auf eine Weise bereichern, die man als Single nie erfahren würde.“
Seine Worte versetzten ihr einen schmerzhaften Stich. Dachte er an jemand Bestimmten? War er auf der Suche nach einer Frau, die ihm dies geben konnte? „Und was ist mit Kindern? Möchtest du irgendwann eine eigene Familie haben?“
Erst nach ein oder zwei Sekunden erwiderte er: „Möchtest du welche?“
„Ich habe zuerst gefragt.“ Unwillkürlich hielt sie den Atem an.
Wieder knirschte das Leder. „Die Zeit in Afghanistan hat mich verändert. Dort ist mir bewusst geworden, dass auch ich sterblich bin. Das vergisst man, wenn man ständig das Leben anderer Leute rettet. Und deswegen sind Ärzte die schlimmsten Patienten. Sie glauben, dass ihnen nichts passieren kann. Aber in Afghanistan wurde mir klar, dass nichts von mir bleibt, wenn ich sterbe. Ein ernüchternder Gedanke.“
Unser Kind wäre heute sechs Jahre alt, dachte sie traurig. Vielleicht hätte es bereits einen Bruder oder eine Schwester …
Wie würde sie sich fühlen, wenn Lewis in nicht allzu ferner Zukunft im Krankenhaus seine Verlobung bekannt gab? Und später die Geburt seines ersten Kindes? Sie würde lächeln und ihm gratulieren müssen, auch wenn es sie innerlich zerriss.
„Was ist mit dir?“, wollte Lewis wissen.
Sie zuckte die Achseln und wollte darüber hinwegtäuschen, wie es in ihr aussah. „Es ist schwer, als Ärztin Kinder und Karriere miteinander zu vereinbaren. Ich kenne viele, die es versucht haben. Sie bezahlen einen hohen Preis: Sie stehen andauernd unter Stress und sind voller Schuldgefühle, weil sie keinem von
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