Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
Jahren, in denen sie sich den Ruf erworben hatte, unerschrocken allen Gefahren zu begegnen und sich jeder Notsituation zu stellen, hatte Rebecca das unangenehme Gefühl, unvermittelt vor eine Wand gelaufen zu sein.
Angestrengt versuchte sie, ihre Fassung zurückzugewinnen. James Munroe war nicht mehr zu sehen, da er gerade durch die Seitentür im Hangar verschwand und die Treppe zum Büro heraufkam. Rebecca hatte Mühe zu atmen und einen klaren Gedanken zu fassen. War das etwa Angst? Nein, sie hatte niemals Angst.
Entschlossen richtete sie sich in ihrem orangefarbenen Fluganzug zu ihrer vollen Größe von eins zweiundsechzig auf. Wobei die letzten beiden Zentimeter nur ihren Stahlkappenstiefeln zu verdanken waren. Sie packte den Riemen ihres Schutzhelms noch fester.
„Du willst doch jetzt keinen Rückzieher machen, oder?“
„Soll das ein Witz sein?“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Mein ganzes Leben warte ich schon auf einen solchen Einsatz.“
Allerdings. Das hier war genau ihr Ding. Ein Nachtflug zu einem Ziel außerhalb jeder normalen Flugzone, bei dem die Treibstoffreserven voll ausgenutzt werden mussten. Zu einer Vulkaninsel im Pazifik, die von einem Erdbeben erschüttert worden war und deren Vulkan jederzeit ausbrechen konnte. Eine Gruppe Naturschützer mit einigen Verletzten saß dort fest und musste dringend evakuiert werden.
Oh ja. Selbst in einem Beruf, der schon von vornherein viel Aufregung bot, war dieser Einsatz ein echtes Highlight.
„Hm.“ Richard wirkte nicht ganz überzeugt. Prüfend sah er seine Top-Pilotin an, dann ging ihm plötzlich ein Licht auf. „Erzähl mir nicht, dass du und dieser James Munroe eine gemeinsame Vergangenheit haben.“
Die Vergangenheit. Ein Ereignis, bei dem die Welt zusammengebrochen war. Es hatte die Sonne ausgelöscht, und das Leben wurde danach so trostlos, dass allein das Weiterleben schon eine fast unmögliche Aufgabe gewesen war.
In der Tat. Jet und Rebecca hatten eine gemeinsame Vergangenheit.
Trotzdem schüttelte sie den Kopf. Vor langer Zeit hatte sie beschlossen, sich von der Vergangenheit nicht ihre Zukunft rauben zu lassen. Es wäre leicht, einen anderen Piloten zu finden, der nur allzu gerne diesen Einsatz übernehmen würde. Ein anderer Arzt mit solchen Qualifikationen ließ sich dagegen kaum auftreiben. Die Anspannung der letzten Stunden war schon hoch genug gewesen, während die Einsatzleitung den Rettungsplan ausgearbeitet hatte. Rein persönliche Querelen hatten keinen Platz, wenn es darum ging, Menschenleben zu retten.
Nein, Rebecca war bereit, die Herausforderung anzunehmen.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und die Vergangenheit kehrte zurück.
Ich hasse dich. Hoffentlich sehe ich dich nie mehr wieder.
Worte von vor zehn Jahren, die ihm jedoch so deutlich in den Ohren klangen, als hätte Jet sie gerade erst gehört.
Was zum Teufel hatte Matts Schwester hier in diesem Raum voller Männer verloren, die diese Rettungsmission organisierten, für die Jet von der Armeebasis im Süden hergeflogen war? Und wieso trug Becca einen Fluganzug? Hatte sie ihren Beruf als Krankenschwester aufgegeben, um Sanitäterin zu werden?
Ein älterer Mann kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. „James, wie schön, dass Sie so schnell kommen konnten.“
„Jet“, korrigierte er mit einem etwas gezwungenen Lächeln. „James nennt mich schon seit ewigen Zeiten niemand mehr.“
Er brauchte die Frau am Fenster nicht direkt anzusehen, um zu merken, wie sich ihre Figur verändert hatte. Der Fluganzug konnte ihre Rundungen nicht ganz verbergen. Sie strahlte eine seltsame Mischung aus Weiblichkeit und Entschlossenheit aus, die jedoch das Bild des Mädchens, an das er sich erinnerte, nicht völlig verdrängte.
Eine verzweifelte junge Frau, die mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen hatte, als er versuchte, sie festzuhalten. Die ihm vorgeworfen hatte, es sei seine Schuld gewesen. Und dass sie ihn für immer hassen würde.
Verständlich, denn Jet hatte sich damals selbst gehasst. Es war ihm ganz recht gewesen, Becca nie wiederzusehen. Nicht nur aus Schuldgefühl, sondern vor allem deshalb, weil sie ihrem Bruder so unglaublich ähnlich sah.
Dieselben wilden Locken, die dunklen Augen und dasselbe fröhliche Grinsen. Nicht, dass sie jetzt auch nur die Andeutung eines Lächelns zeigte. Und ihr Haar trug sie so kurz, dass von den Locken nichts mehr übrig geblieben war. Doch das betonte ihre Augen, in denen eine Verletzlichkeit lag, die bei anderen
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