Julia Ärzte zum Verlieben Band 51
inne, um ihre Fassung zurückzugewinnen. Als sie die Tür öffnete, lag Ella mit ihrem Lieblingsplüschtier im Arm bereits unter der Bettdecke.
„Können wir Mr Tickle lesen?“, fragte Ella und hielt ihr das zerlesene Buch hin.
Lächelnd unterdrückte Robina ein Stöhnen. Sie hatten diese Woche schon dreimal Mr Tickle gelesen. Sie setzte sich aufs Bett und wartete, bis Ella sich an sie gekuschelt hatte.
Beim Vorlesen fielen der Kleinen die Augen zu, und Robina bettete sie behutsam aufs Kissen. Doch plötzlich schaute Ella sie wieder an.
„Robina“, flüsterte die Kleine. „Ist es okay, wenn ich dich Mummy nenne?“
Robina stockte der Atem. „Natürlich, Schätzchen. Wenn du das möchtest.“ Ein heftiger Schmerz durchzuckte sie. Warum ausgerechnet jetzt? Gerade hatte sie doch beschlossen, Niall zu verlassen …
„Ich werde meine andere Mummy nie vergessen. Eigentlich kann ich mich gar nicht mehr richtig an sie erinnern. Früher habe ich Daddy nach ihr gefragt. Aber das hat ihn immer traurig gemacht, und darum frage ich ihn nicht mehr.“
„Ich glaube, jetzt kannst du wieder mit ihm über sie reden“, antwortete Robina vorsichtig. „Am Anfang, wenn jemand gestorben ist, dann tut es noch ganz doll weh. Da ist es schwer, darüber zu sprechen. Aber mit der Zeit wird es leichter. Vielleicht solltest du mal probieren, ihn zu fragen. Ich bin sicher, er möchte nicht, dass du deine Mummy vergisst.“ Im Grunde sollte sie diesen Rat selbst befolgen. Auch sie hatte ja mit Niall niemals über den Verlust ihres Babys gesprochen.
„Du lässt mich doch nicht auch allein, oder?“, fragte Ella. „Ich könnte es nicht aushalten, wenn noch eine Mummy weggeht.“ Ängstlich sah sie Robina an.
Robina spürte eine tiefe Traurigkeit, als sie Ella in die Arme schloss und ihr einen Kuss aufs Haar drückte. Sorgfältig wählte sie ihre Worte. „Ich werde immer für dich da sein, Mtwana – mein Kleines“, versprach sie. „So lang, wie du mich brauchst. Ob’s dir gefällt oder nicht: Ich bleibe bei dir. Wie ein Kaugummi unterm Schuh. Aber hoffentlich viel netter.“
Kichernd rutschte Ella unter die Bettdecke. „Okay, Mummy. Gute Nacht.“
Robina blieb am Bett sitzen, bis Ella eingeschlafen war. Wie sollte sie Niall um die Scheidung bitten, wenn sie Ella versprochen hatte, sie niemals zu verlassen? Das kleine Mädchen hatte in seinem kurzen Leben schon genug durchgemacht. Fragen schwirrten Robina im Kopf herum, doch sie wusste keine Antwort darauf.
Als sie wenig später in ihren kleinen Salon zurückkehrte, stellte sie erstaunt fest, dass Niall noch dort war. Offenbar war er tief in Gedanken versunken. Er starrte ins Feuer und legte dann zwei Holzscheite nach. Sofort verscheuchten die auflodernden Flammen die Schatten im Raum.
„Ich habe Lucinda gesagt, dass ich über deine Reportage nachdenken werde“, erklärte er. „Ich denke, am Montag können wir dir eine definitive Antwort geben.“ Niall streckte sich. Er hatte sich umgezogen und trug nun ein T-Shirt. Bei der Bewegung hob es sich leicht, sodass sein Waschbrettbauch zu sehen war.
Unwillkürlich dachte Robina daran zurück, wie gern sie seine athletische Brust mit den dunklen Härchen darauf gestreichelt hatte und wie sich seine Muskeln unter ihren Fingerspitzen angefühlt hatten. Trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten begehrte sie ihn auch heute. Bis zu ihrer Fehlgeburt hatte der Sex sie zusammengehalten, auch wenn sie sich gefühlsmäßig immer weiter voneinander entfernt hatten. Aber konnte sie ihn denn tatsächlich begehren – obwohl sie nicht wusste, ob sie ihn noch liebte? Oder ob er sie noch liebte?
Niall kam zu ihr, legte die Hände auf ihre Schultern und schaute ihr in die Augen. „Bist du sicher, dass diese Reportage das Richtige für dich ist? Ist es nicht noch zu früh dafür? Geht es dir nicht zu nahe?“
Robina wich zurück. Sie wandte sich ab und blickte ins Feuer. Zögernd erwiderte sie: „Vielleicht … bin ich gerade durch meine Erfahrung dafür geeignet, diesen Film zu machen.“
„Mag sein“, antwortete er leise. „Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nicht, wie du dich fühlst. Das hast du mir nie erzählt.“
Sie hatte nie mit ihm über die Fehlgeburt gesprochen, denn sie wollte selbst nicht daran denken. Es tat immer noch viel zu weh. Es kam ihr leichter vor, möglichst jeden Gedanken daran zu verdrängen. Aber hatte Niall nicht unter Umständen recht? Sollte sie wirklich eine Reportage zu diesem Thema drehen, wenn
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