Julia Ärzte zum Verlieben Band 52
Zeug kann höchstens lauwarm gewesen sein. Das hättest du prüfen müssen.“
„Und kostbare Zeit verschwenden? Komm wieder runter, Kennedy!“
Luke schnappte nach Luft. Hier rasselten zwei starke Persönlichkeiten aneinander: Evie Lockheart aus der Familie des Krankenhausgründers und Finn Kennedy, der wortkarge Leiter der Chirurgie am Sydney Harbour Hospital, dem man besser nicht in die Quere kam. Beide hochintelligente, hervorragende Mediziner, für die der Beruf an erster Stelle stand. Das bot Stoff für Konflikte. Und dieser Konflikt drohte auszuarten.
Einen Moment lang überlegte Luke, ob er sich verdrücken sollte.
Nein.
In Gedanken überschlug er die Fakten: Schulferien. Ein Fleisch verarbeitender Betrieb in einem Vorort von Sydney, ungenügend gesichert. Vier Bengel, fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, die sich gegenseitig zu einer Mutprobe anstifteten: auf Inlineskatern über die Planken, die auf einem 8000-Liter-Bottich lagen. Wer ist am schnellsten?
Die Jungen hatten Glück gehabt, dass die Fettschmelze gerade erst in Gang gesetzt worden war. Im Grunde waren sie in ein etwas zu heißes Bad gefallen. Kinder und Eltern boten ein Bild des Jammers, wie er durch das Fenster des Stationszimmers sah. Eine blonde Krankenschwester wischte behutsam Talg vom Bein eines Jungen, doch die Haut darunter schien nur leicht verbrüht.
Luke beschloss zu bleiben. Wenigstens, bis die Lage sich beruhigt hatte. Fragte sich nur, was er zuerst tun sollte. Den Streit schlichten? Sich die Jungen ansehen? Der Krankenschwester einen zweiten Blick gönnen?
Sie ist süß, dachte er. Ein paar vorwitzige blonde Locken waren aus der Haube gerutscht, und noch während Luke die junge Frau beobachtete, schob sie sie wieder zurück. Dann sah sie auf, in seine Richtung.
Ihre Blicke trafen sich, und Luke entdeckte ein Lachen in ihren Augen, das sie aber schnell unterdrückte.
Sie hatte bestimmt gesehen, was hier los war, auch wenn sie die Auseinandersetzung nicht hören konnte. Lachte sie über die beiden Streithähne? Lieber nicht, warnte er sie stumm. Noch nicht einmal er könnte sich das leisten, und er arbeitete seit fast zehn Jahren hier. Trotzdem hätte er fast zurückgelächelt.
„Falls es dir entgangen sein sollte“, holte Evie zum nächsten Schlag aus, „herrscht im gesamten Krankenhaus wegen der Noro-Epidemie Pflegenotstand. Ich habe nicht genug Krankenschwestern, um jeden dieser Jungen erst zu säubern und durchzuchecken, bevor ich dich verständige. Bei Verdacht auf Brandwunden und schweres Trauma ist es mein Job, Kollegen hinzuzuziehen.“
„Sie sind nicht traumatisiert“, konterte Finn scharf.
Körperlich vielleicht nicht so sehr, dachte Luke und betrachtete wieder die Jungen, die wie begossene Pudel dasaßen. Nach dem ersten Schrecken hatte sich der Zorn der Eltern über ihnen entladen. Zwei der Jungen weinten. Luke ahnte, wie demütigend das für sie sein musste in einem Alter, in dem Männlichkeit so wichtig war.
„Wenn du glaubst, dass deine Position dir das Recht gibt …“, knurrte Finn Kennedy die Lockheart-Erbin an.
Luke stöhnte stumm auf. Jetzt geht’s richtig los. Die kleine blonde Krankenschwester war im Lagerraum verschwunden. Gute Idee, dachte er und überlegte, ob er ihr folgen sollte.
Nein. Finn war sein direkter Vorgesetzter. Evie war die Enkelin des Krankenhausgründers. Falls ihm also sein Job lieb war, blieb er, wo er war.
Allerdings machte er sich in Wirklichkeit keine Sorgen um seine Stelle. Als Leiter der Plastischen Chirurgie hatte er sich einen Ruf erworben, der ihn praktisch unkündbar machte. Aber Finn war nicht nur sein Chef, sondern auch sein Freund. Und in den letzten Wochen war Luke aufgefallen, dass bei Finn schnell die Sicherung durchbrannte.
Zwischen ihm und Evie hatte es schon am ersten Tag geknallt. Obwohl sie als Ärztin in der Hierarchie weit unter ihm stand, hatte sie es gewagt, eine seiner Entscheidungen anzuzweifeln. Als klar war, dass sie sich geirrt hatte, entschuldigte sie sich, aber Finn ließ noch einen arroganten Kommentar vom Stapel, der ihre Familie betraf, und seitdem waren ihre Begegnungen … nun ja, interessant.
Doch jetzt ging selbst Finn zu weit. Luke gefiel nicht, was sich da zusammenbraute, und er machte sich Sorgen um seinen Freund.
Gedankenverloren blickte er wieder zum Fenster … Die Schwester hatte er hier noch nie gesehen. Sie war hübsch. Tolle blaue Augen. Sie erinnerten ihn an klares, lichtdurchflutetes Wasser an einem heißen Sommertag.
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