Julia Ärzte zum Verlieben Band 53
Schultern. „Dann habe ich mir das eben nur eingebildet.“ Er hatte wieder seine unnahbare Maske aufgesetzt. Doch sie hatte auch wieder ein wenig mehr über den Mann erfahren, der ihre Gedanke auf so intensive Weise beschäftigte. „Ich denke, ich gehe wieder hinein. Ich kann mich auch ins Gästezimmer zurückziehen, falls Gemma und Ron noch immer mit den Kindern reden.“
Als sie ein paar Schritte in Richtung Tür machte, ging die automatische Außenbeleuchtung an. Joss rief ihren Namen, und sie drehte sich zu ihm um. Er gab ein attraktives Bild ab, wie er im Halbdunkel am Geländer lehnte. Der Regenvorhang hinter ihm bildete eine reizvolle Kulisse.
„Meinetwegen brauchst du nicht zu gehen. Bleib hier, ich gehe.“
„Willst du wieder in den Regen hinausstürmen, um aus meiner Nähe zu fliehen?“
Joss fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Lis, du bist so ganz anders, als ich erwartet hatte“, sagte er und seufzte.
„Was hattest du denn erwartet?“
„Das weiß ich selbst nicht.“
„Hast du öfter Schwierigkeiten in Gesellschaft von Frauen?“
„Ja. Hm – nein. Das habe ich nicht gemeint.“
„Was hast du dann damit gemeint?“ Frust stieg in Melissa hoch. „Seit Tagen versuche ich, dich zu analysieren, aber ich komme auf keinen Nenner.“
„Wieso musst du mich analysieren?“
„Damit ich mit dir zusammenarbeiten kann, ohne ständig gegen die Anziehungskraft anzukämpfen, die du auf mich hast.“
Joss machte ein paar wütende Schritte auf sie zu. Melissa war eine ernste Gefahr für seinen Seelenfrieden, besonders, wenn das Licht der Außenbeleuchtung auf sie fiel wie jetzt und ihr etwas Überirdisches verlieh. „Lass mich ein für alle Mal klarstellen – ich bin an keiner Beziehung interessiert. Vor vier Jahren bin ich von der Frau, die ich heiraten wollte, aufs Übelste betrogen worden, und ich habe mir geschworen, nie mehr einer Frau zu trauen. Damals passierte etwas, das nicht meine Schuld war. Die Presse hat sich die Mäuler darüber zerrissen. Dex, mein engster Freund, und natürlich auch meine Familie haben zu mir gehalten, aber Christina …“ Er schüttelte den Kopf. Bitterkeit schwang in seiner Stimme, als er fortfuhr: „Sie hat die Lügen nicht nur geglaubt, sondern sie auch noch weiter geschürt. Und das, als ich ihren Beistand am dringendsten gebraucht hätte!“
Bei den Qualen in seiner Stimme empfand Melissa tiefes Mitleid. „Ich verstehe das Gefühl, nicht mehr vertrauen zu können. Ich kann es gut nachvollziehen, wenn man sich betrogen fühlt. Zum Beispiel habe ich mich jahrelang gefragt, warum meine Mutter mich zur Adoption freigegeben hat. Als ich dann endlich die Antwort darauf bekam, war ich froh, dass sie mich weggegeben hat. Sie war manisch-depressiv und traute sich nicht zu, Dex und mich aufzuziehen. Sie hatte Angst, uns etwas anzutun. Es war eine verantwortungsbewusste Entscheidung für einen Menschen wie sie.“
„Dann hast du ihr verziehen?“
„Ja. Hätte ich es nicht getan, dann würde ich immer noch diese Leere in mir spüren, würde vielleicht ebenfalls nicht in der Lage sein, Hausbesuche zu machen, um nicht mit ansehen zu müssen, wie andere Familien glücklich und harmonisch zusammenleben. Ich denke, genau das ist Dex’ Problem.“
Joss dachte einen Moment lang über ihre Worte nach. Sein Ärger verflüchtigte sich. „Damit triffst du vermutlich den Nagel auf den Kopf. Von dieser Seite hatte ich es noch gar nicht gesehen.“ Er schwieg kurz. „Verspürst du noch immer diese Leere in dir?“
„Nein, sonst wäre ich nicht hier. Ich habe versucht, sie mit zahllosen Affären zu füllen, habe immer wieder nach Liebe und Anerkennung gesucht. Nach meiner geplatzten Verlobung – einem weiteren Rückschlag und einem weiteren Menschen, der mich nicht wollte – wurde mir klar, dass ich erst einmal bei mir selbst anfangen muss. Dass ich lernen muss, mich selbst so zu lieben und zu akzeptieren, wie ich bin. In diesem Lernprozess befinde ich mich noch immer.“
„Dann ist in deinem Leben also genauso wenig Platz für eine Beziehung?“
„Richtig.“
„Hm“, machte er nachdenklich.
Wieder trat Schweigen ein. Melissa wünschte, er würde weiterreden, doch er tat es nicht. Plötzlich kam sie sich unendlich dumm vor, wie sie da auf der Veranda unter der Lampe stand. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging. Diesmal hielt er sie nicht zurück.
8. KAPITEL
„Hat man dir schon dein Zimmer gezeigt?“, fragte Joss nach dem
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