Julia Ärzte zum Verlieben Band 53
umgehen“, bemerkte sie, während sie am Verandageländer lehnte und in den Regen hinausschaute. „Nicht nur mit den Kleinen, auch mit den Älteren.“
Auch Joss lehnte sich gegen das Geländer, sorgte jedoch dafür, dass zwischen ihnen einige Meter Abstand blieben. „Ich habe fünf Geschwister, daher bin ich an Kinder und an Familienprobleme gewöhnt. Ein Besuch bei den Etheringtons ist für mich fast so, als würde ich nach Hause kommen. Letztes Mal half ich Peter beim Abspülen, und wir machten eine Schaumschlacht in der Küche. Gemma hat mit uns beiden geschimpft.“
Melissa musste lachen. „Das kann ich mir vorstellen.“ Offenbar hatte Joss gerade wieder seine gesprächige Phase. Er würde sich früh genug wieder in sein Schneckenhaus zurückziehen, also beschloss sie, den Augenblick zu genießen. Warum auch nicht? Es konnte ja sein, dass er für sein Verhalten gute Gründe hatte. Und vielleicht – nur vielleicht – konnte sie ihm sogar helfen.
Joss lächelte jungenhaft, was ihn noch anziehender aussehen ließ. „Zu Hause veranstalteten meine Brüder und ich regelmäßig Schaumschlachten. Einmal war der Küchenboden so glitschig, dass ich ausrutschte und mir den Kopf am Küchenschrank aufschlug.“ Joss deutete auf seine linke Kopfseite. „Ich musste mit vier Stichen genäht werden.“
Melissa lachte. „Wie alt warst du?“
„Etwa in Peters Alter. Bei uns zu Hause ging es ähnlich zu wie hier. Es gab auch immer irgendwelche Arbeiten zu erledigen, besonders für mich als den Ältesten.“
„Falls es dir ein Trost ist – auch bei uns zu Hause gab es immer eine Menge zu tun. Ich war das einzige Kind, also blieb alles an mir hängen.“
„Ich denke, es spielt keine Rolle, ob man als Einzelkind oder unter Geschwistern aufwächst. Es wird immer irgendwelche Aufgaben für einen geben.“
Melissa lächelte. „Und je älter man wird, umso vielfältiger werden die Aufgaben.“
Gedankenvoll blickte sie in den Regen hinaus. Der offene und gesprächige Joss gefiel ihr weitaus besser als der schweigsame, verschlossene. Allerdings war es auch schwerer, ihm zu widerstehen.
Allmählich wurde es dunkel, doch sie konnte Joss noch deutlich sehen, wie er sich mit verschränkten Armen auf das Geländer stützte. Diesmal war es ein angenehmes Schweigen, als sie dastanden und auf die Geräusche des Outback lauschten.
„Erzähl mir von deinen Eltern“, bat er nach einer Weile. Er war froh, dass sie wieder zu einer normalen Unterhaltung zurückgefunden hatten. Sie waren beide im Dienst, und er wollte ein wenig mehr über seine neue Kollegin erfahren. „Was für Menschen waren sie?“
Seine Frage zauberte ein spontanes Lächeln auf ihr Gesicht. Es war ein ganz besonderes Lächeln, und wieder musste er gegen die Anziehungskraft kämpfen, die sie auf ihn ausübte.
„Sie waren ganz reizend. Liebevoll, fürsorglich, und immer waren sie für mich da. Sie hatten sich immer eine große Familie gewünscht, aber leider hat es nie geklappt.“
„Und deine leibliche Mutter? Hatte sie keine Angehörigen?“
„Nein, zumindest wusste sie von keinen. Ihre Eltern waren beide tot, ebenso ihr Bruder.“
„Nun kann ich verstehen, warum es so wichtig für dich war, Dex zu finden. Er ist ein guter Kerl.“
„Abgesehen davon, dass er Regentänze veranstaltet.“
Joss lachte leise. „Er ist eben ein wenig verrückt.“
„Verrückt – das gefällt mir. Verrücktheit bringt selbst bei Gericht mildernde Umstände. Nicht, dass ich Dex wegen seiner Verrücktheit vor Gericht bringen will. Ich meinte nur … ach, ich plappere dummes Zeug.“ Melissa sah, dass Joss’ Lächeln erloschen war. Würde er gleich wieder seine abweisende Maske aufsetzen? „Was ist los? Du siehst plötzlich so ernst aus.“
Er hatte nur deshalb seinen Humor verloren, weil er Gerichtsverhandlungen aus eigener Erfahrung bestens kannte und wusste, wie „verrückt“ es dort zugehen konnte. „Es ist nichts.“ Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
„Möchtest du darüber reden?“, wagte sie sich mutig vor. Gleichzeitig hatte sie Angst vor seiner Reaktion. Würde sie eine offene Antwort von ihm bekommen, oder würde er sich noch mehr verschließen?
Eine steile Falte stand zwischen seinen Brauen, als er sie anschaute. „Worüber?“
Melissa musste ein paar Mal schlucken, bevor sie tapfer weiterredete. „Über das, was dir auf der Seele liegt.“
„Mir liegt nichts auf der Seele“, behauptete er.
Resigniert hob sie die
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