Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
gegangen war, hatte er nichts empfunden. Sie waren nette Ablenkungen gewesen, mal etwas anderes als eine gute alte Flasche Scotch.
Mit einer Ausnahme. Evie. Die er immer wieder zurückgewiesen und die trotzdem nie aufgegeben hatte.
Und die jetzt ein Baby von ihm bekam.
Da klopfte es an der Tür, und durch seinen empfindlichen Schädel donnerte eine Elefantenherde. Finn stöhnte auf, drauf und dran, loszubrüllen, dass wer auch immer draußen stand, gefälligst verschwinden sollte. Aber da er nicht wusste, ob er sich damit nicht einen Schlaganfall einhandelte, blieb er still liegen. Mit ein wenig Glück würde Evie denken, dass er nicht da war.
Für ihn bestand kein Zweifel daran, dass es Evie war. Das Klopfen hörte sich nach einer Frau an, die ziemlich sauer war.
Und es wurde lauter. „Finn? Finn!“
Lydia?
„Finn Kennedy, mach sofort die verdammte Tür auf! Bring mich nicht dazu, meinen Schlüssel zu benutzen!“
Finn rollte sich aus dem Bett. Nicht sehr elegant, aber da er sich sterbenselend fühlte, erschien ihm die Tatsache, dass er gehen konnte, wie ein Wunder.
„Komme“, rief er, als sie wieder gegen die Tür hämmerte, und zuckte zusammen, weil sich tausend Nägel in sein Hirn zu bohren schienen.
Er riss die Tür im selben Augenblick auf, als ein metallisches Kratzen am Schloss zu hören war. Vor ihm stand die Witwe seines Bruders, ein zierlicher Rotschopf, in der Hand seinen Wohnungsschlüssel.
„Du siehst erbärmlich aus“, sagte sie.
„Ach ja?“
„Okay.“ Sie drängte sich an ihm vorbei in die Wohnung. „Dann gibt es jetzt erst einmal Kaffee. Danach kannst du mir erzählen, was passiert ist. Es muss ja einen Grund geben, dass du zum Fürchten aussiehst!“
Finn war stark versucht, sie rauszuschmeißen. Aber er brauchte wirklich dringend einen Kaffee …
Eine Viertelstunde später inhalierte er tief den würzigen Duft peruanischer Arabica-Bohnen. Lydia hatte sie ihm bei ihrem letzten Besuch mitgebracht, und seitdem hatte er sie nicht angerührt. Kaffeebohnen mahlen war ihm zu aufwendig. Finn trank einen Schluck und schloss die Augen.
Sein Telefon klingelte, doch er ignorierte es. Khalid hatte nur seine Handynummer, und alles andere konnte warten.
Lydia schwieg, bis er ein paar Schlucke getrunken hatte und das Koffein seine belebende Wirkung entfaltete.
„Heraus damit“, verlangte sie schließlich.
Flüchtig spielte Finn mit dem Gedanken, sich ahnungslos zu stellen. Allerdings war Lydia einer der wenigen Menschen, die wussten, wie er tickte.
„Evie ist schwanger.“
„Oh.“
„In der Tat.“ Er trank noch einen Schluck.
„Ist es von dir?“
Finn nickte. Daran hatte er nicht eine Sekunde gezweifelt. „Ein kleiner Junge.“ – „Aha.“ Sie beugte sich über ihre Tasse und trank, aber er hatte es gesehen.
„Was gibt es da zu lächeln?“
„Nichts.“ Doch sie hatte Mühe, ernst zu bleiben.
„Das ist nicht witzig.“
„Natürlich nicht.“
Ihre Stimme bebte. Gleich würde Lydia losprusten! Finn stellte die Tasse ab und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Seine Brust fühlte sich an wie von Eisenbändern umschnürt, und sein Herz raste. Der Kaffee war schuld. Nie hätte sich Finn eingestanden, dass es Panik war, nackte Panik, die ihn gepackt hatte.
Seine Hände zitterten, als er Lydia ansah. „Ich bin zu kaputt für ein Baby, Lydia.“
Sie wurde ernst, legte ihre Hände sanft auf seine. „Vielleicht ist es genau das, was du brauchst, um wieder heil zu werden?“
Und dafür ein unschuldiges Kind benutzen? Niemals. Er zog seine Hände weg. „Ich wollte nie Kinder. Es war nicht meine Entscheidung.“
„Tja, wir bekommen im Leben nicht immer das, was wir uns wünschen, Finn. Das müsstest du doch am besten wissen. Entscheidend ist, was du daraus machst. Du hast die Wahl.“
„Ist das dein Ernst?“ Ungläubig starrte er sie an.
„Ja. Du kannst ihm ein Vater sein.“
Die Eisenbänder nahmen ihm den Atem. Finn schüttelte heftig den Kopf. „Nein.“
„Sei der Vater, den du dir immer gewünscht hast.“
„Ich wollte nie einen Vater!“
Lydia blickte ihn streng an. „Doch, Finn. Isaac hat es mir erzählt. Wie sehr du dir jeden Abend einen Vater gewünscht hast, der euch beide nach Hause holt. Du hast Isaac Geschichten erzählt von eurem Vater, der jeden Tag mit euch in den Lunapark geht, euch auf der Fähre den Hafen zeigt und euch hinterher mitnimmt in sein Haus am Meer. Du kannst es nicht ändern, dass Isaac und du keinen Vater gehabt
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