Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
legte ihr die Hand aufs Knie. „Der Kleine hat eine Kämpfernatur.“
Tränen verschleierten ihr die Sicht. „Natürlich“, sagte sie und bedeckte seine Hand mit ihrer. „Genau wie sein Daddy.“
Ihm brach es fast das Herz, ihr in die schimmernden Augen zu sehen. Nie wieder wollte er Evie wehtun. Letzte Nacht hatte er zusehen müssen, wie sie litt – und wie viel hatte sie hinterher noch durchgemacht, als er längst bei seinem Sohn war … Finn wollte nie mehr von ihr getrennt sein. Am liebsten hätte er Evie und seinen kleinen Sohn in die Arme geschlossen. Er würde sie für immer lieben!
Finn verschränkte ihre Finger mit seinen. „Dein Vater meint, die Brauen hätte er von den Lockhearts.“
Evie lachte überrascht auf. „Mein Vater war hier?“
„Mit deiner Mutter, und sie hat ihm recht gegeben.“
„Meine Mutter?“ Das Verhältnis zwischen ihnen hatte sich in letzter Zeit leicht gebessert, seit Bella ihre neue Lunge bekommen hatte, aber von einem entspannten Umgang waren sie noch weit entfernt. „Na, ich sehe das anders. Er hat deine Augenbrauen. Und dein Kinn. Und deine Nase. Bei den hohen Wangenknochen bin ich mir allerdings nicht so sicher …“
Finn schwieg einen Moment. „Die hat er von Isaac“, sagte er dann leise. „Lydia hat immer gesagt, mit den Wangenknochen gehört Isaac nach Hollywood.“
Evie drückte seine Hand. „Es tut mir so leid, dass er seinen Neffen nie kennenlernen wird.“
„Mir auch.“ Wehmut schwang in seiner Stimme mit. „Er wäre ein großartiger Onkel gewesen.“ Und zum ersten Mal seit langer Zeit dachte er nicht an den sterbenden Isaac, sondern den Isaac, der gern mit Kindern gespielt, sie huckepack durch die Gegend getragen hatte. Finn lächelte.
Das Baby rührte sich, gab Laute wie ein ungnädiges Kätzchen von sich und fuchtelte mit den Fäustchen. Da plötzlich ging der Alarm los.
Angstvoll sah Evie auf die Geräte, aber die Schwester beruhigte sie: „Alles in Ordnung. Eine Elektrode hat sich gelöst.“
Geschickt befestigte sie sie wieder auf der Brust des Kleinen. „Fertig, kleiner Mann“, turtelte sie liebevoll. „Jetzt sitzt sie wieder fest.“ Die Schwester lächelte Evie und Finn an. „Haben Sie schon einen Namen für ihn? Wir können ihn ja nicht immer nur ‚kleiner Mann‘ nennen.“
Evie blickte Finn an, dann wieder die Schwester. „So weit waren wir noch nicht“, antwortete sie verlegen.
„Na, hat auch keine Eile. Aber ein tapferes Kerlchen wie dieses hier hat sicher einen Kämpfernamen verdient.“
Der Meinung war Evie auch, und während die Schwester die Kabel und Schläuche noch einmal überprüfte, wusste sie plötzlich, welchen Namen sie ihrem Kind geben wollte. „Isaac“, sagte sie. „Er heißt Isaac.“
„Isaac … oh, das ist gut. Stark. Edel.“ Die Schwester betrachtete den Säugling. „Willkommen in unserer Welt, Isaac.“
Damit ließ sie die Eltern wieder allein. Evie wischte sich über die Augen, bevor sie Finn ansah. „Bist du damit einverstanden?“, fragte sie ihn.
Der Druck in seiner Brust nahm zu. Bestürzt spürte er, wie seine Augen feucht wurden. Sein Hals war wie zugeschnürt. Finn konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt geweint hatte. Nicht einmal, als das Leben aus seinem Bruder wich, hatte er sich Tränen erlaubt.
Er hatte einfach dichtgemacht, nichts mehr an sich herangelassen.
Erst diese Frau und ein winziger neuer Mensch hatten ihn aus seiner Lethargie gerissen.
„Ja, das wäre wundervoll“, flüsterte er bewegt.
„Und es würde dir auch nichts ausmachen, jeden Tag diesen Namen zu hören?“
„Nein. Zehn Jahre meines Lebens habe ich versucht, zu vergessen, was Isaac passiert ist, und was ist dabei herausgekommen? Ich habe auch die guten Erinnerungen an ihn begraben. Es wird Zeit, dass ich sie wieder hervorhole.“
„Und Lydia?“
„Ich bin sicher, dass sie sich freuen wird.“
„Gut“, sagte Evie. „Dann nennen wir ihn Isaac.“
Schweigend lächelten sie einander an und wandten sich dann ihrem Sohn zu. Finn berührte Evie an der Schulter. „Ich war so ein Idiot“, sagte er.
„Du hast getrauert“, antwortete sie, ohne den Blick von dem Baby zu nehmen.
„Das meinte ich nicht. Sondern das, was ich neulich abends gesagt habe, nachdem wir …“
„Oh.“ Jetzt hatte er ihre volle Aufmerksamkeit. „Das.“
„Jetzt brauche ich ihn nur anzusehen und fühle dieses überwältigende Gefühl von Liebe für ihn. Ich weiß nicht, woher es kommt, ob ich es in mir hatte
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