Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
völlig durcheinander sein, da konnte man schnell etwas Falsches sagen. Auch wenn es von dem Mann kam, der sie liebte.
„Du wirkst niedergeschlagen … und du weißt ja, dass … PND schon bald nach der Entbindung einsetzen kann … vor allem bei Müttern von Frühchen.“
Evie seufzte. Fakten, schon wieder Fakten. „Finn“, sagte sie scharf, öffnete die Augen und blickte ihn ungehalten an. „Ich habe gerade erst ein Siebenmonatskind zur Welt gebracht, das auf der Intensivstation liegt, zwei Stockwerke von mir entfernt. Ich fühle mich wie der letzte Versager und könnte heulen vor Sehnsucht, weil ich es nicht in den Armen halten kann. Ja, ich bin niedergeschlagen. Und nein, ich habe keine Wochenbettdepression!“
Finn setzte sich auf die Bettkante und griff nach ihrer Hand. „Ach, Evie …“
Sie entzog sie ihm wieder. Sie wollte nicht bemitleidet werden. „Geh einfach, Finn, okay? Geh wieder zu Isaac. Ich bin hundemüde und kann nicht mehr klar denken. Mir geht es bestimmt besser, wenn ich geschlafen habe.“
Widerstrebend stand er auf. „Ruf mich an, wenn du wach bist, ich hole dich dann ab.“
Evie nickte. Der Kloß in ihrer Kehle wurde größer. Vielleicht hatte Finn recht. Vielleicht hatte sie doch den Babyblues.
Er beugte sich vor, küsste sie leicht auf die Stirn. „Ich liebe dich, Evie“, sagte er und ging.
Endlich konnte sie ihren Tränen freien Lauf lassen. Sie wusste nicht, was ihr mehr das Herz brach … die hingeworfenen Worte oder der flüchtige Kuss. Seine Liebeserklärung – die zweite – war nicht inniger gewesen als dieser Kuss. Er hätte ihn auch einer alten Großtante mit Pergamenthaut und Hexenhaaren am Kinn geben können …
War das alles, was sie in Zukunft erwartete? Dass sie an erster Stelle Mutter war und sonst nichts? Wütend wischte sie sich die Tränen ab. Ohne mich, dachte sie. Ich lasse mich nicht auf ein Podest stellen!
Gegen fünf Uhr morgens wachte Evie auf. Sie hatte lange geschlafen und fühlte sich besser. Noch etwas schwach auf den Beinen machte sie sich auf den Weg zur Intensivstation, um Milch abzupumpen. Kurz nachdem Finn gegangen war, hatte Marco sie besucht und erklärt, dass er mit ihren Werten zufrieden sei. Er entfernte die Infusionskanüle und meinte, er könne Evie am nächsten Tag entlassen, falls ihr Zustand über Nacht stabil blieb.
Finn saß an Isaacs Bettchen, und Evie blieb am Türrahmen stehen, um die beiden zu betrachten. Der Anblick schnitt ihr ins Herz. Auf Finns markantem Gesicht lag ein unbeschreiblich zärtlicher Ausdruck von Liebe.
Und obwohl sie sich gewünscht hatte, dass er seinen Sohn liebte, war sie plötzlich eifersüchtig.
Evie fühlte sich miserabel. Wie konnte sie nur so egoistisch sein? Sie brauchte all ihre Kraft, all ihre Energie für ihr Kind. Es schadete ihr nur, sich über Finn Gedanken zu machen.
Ihre Pantoffeln schlurften über den Boden, als sie langsam zum Bettchen ging. Evie legte Finn eine Hand auf die Schulter, und er drehte sich um. Er sah müde aus und gleichzeitig so sexy, dass sehnsüchtige Liebe sie wie eine Welle überschwemmte.
„Morgen“, murmelte sie. „Wie geht es unserem kleinen Krieger?“
Finn lächelte und sprang von seinem Stuhl auf, damit sie sich setzen konnte. „Gut. Sie haben die Sauerstoffzufuhr verringert, und er kommt ausgezeichnet damit klar.“
„Hast du geschlafen?“
„Nein“, meldete sich die Krankenschwester zu Wort.
„Ich bin immer mal wieder eingenickt“, verbesserte Finn.
Evie blickte zu ihm hoch. Um Mund und Augen hatte er tiefe Linien, so als hätte er hundert Jahre nicht geschlafen. „Du siehst fertig aus.“
„Alles in Ordnung. Aber du, du siehst sehr viel besser aus.“
„So fühle ich mich auch.“
Finn drückte ihr die Schulter. Gestern hatte er sich große Sorgen um sie gemacht, doch jetzt erinnerte sie ihn wieder an die alte Evie. „Gut.“
„Dann gehe ich Milch abpumpen …“ Sie streichelte den Arm ihres Sohnes, der ihr zugewandt lag. Es war ein wundervolles Gefühl, seine samtige warme Haut unter dem Finger zu spüren. „Danach bleibe ich hier, bis ich um elf wieder in meinem Zimmer sein muss – zu Marcos Visite, er will mich heute entlassen. Hinterher komme ich wieder her. Ich möchte, dass du dich dann schlafen legst.“
„Okay, ich lege mich für ein paar Stunden in mein Büro.“
„Nichts da, Finn. Du brauchst eine Dusche, eine anständige Mahlzeit und ein richtiges Bett. Fahr nach Hause. Ruh dich aus.“
Sein
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