Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
Gestern Abend erzählst du mir, was mein Neffe dir angetan hat, und heute Morgen hast du nichts anderes zu sagen, als dass du die Autofahrt genießt? Und nur zu deiner Information, so großartig ist dieser Wagen nun auch wieder nicht!“
Sie wandte sich ihm zu, verwundert, ja fast erschrocken.
„Dachtest du, ich würde nicht darüber reden?“, fuhr er grimmig fort. „Gehst du mit all deinen Problemen so um? Ignorierst du sie einfach? Wenn einer Patientin von dir das Gleiche passiert wäre, was hättest du ihr geraten?“
„Du meinst, zur Polizei zu gehen, sich psychologisch beraten zu lassen und all das?“
„Genau! Und was hast du unternommen? Wer hat dir geholfen?“
Mak merkte, wie er mit jedem Wort wütender wurde, aber er konnte den Gedanken an das, was sie durchgemacht hatte, kaum ertragen.
„Nun?“, fragte er scharf, als das Schweigen anhielt.
„Das alles habe ich mir auch durch den Kopf gehen lassen“, sagte sie endlich, das Kinn trotzig vorgeschoben. „Allerdings kam eine Anzeige für mich nie infrage. Theo musste davon ausgehen, dass ich es wollte …“
Neena sprach nicht weiter, und Mak nahm kurz den Blick von der Straße und sah sie an. Sie war blass und hatte die Hände im Schoß verschränkt.
„Aber du hast Nein gesagt!“
Sie nickte und blickte aus dem Seitenfenster. Jedoch nicht schnell genug. Mak sah, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
Sofort fuhr er an den Straßenrand, stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete ihre Tür. Er hob sie auf seine Arme und setzte sich mit ihr auf den Beifahrersitz. Und dann hielt er sie einfach, flüsterte auf Griechisch zärtliche Worte, Worte der Liebe, die er nicht zurückhalten konnte. Neena würde sie nicht verstehen, aber vielleicht konnte er sie damit beruhigen, ihr zeigen, dass sie nicht allein war.
Sie sank gegen ihn, nahm seine Hand und legte sie sich auf den Bauch. „Du hast nicht gefragt“, sagte sie leise.
Mak spürte das zarte Flattern unter ihrer Bauchdecke, als sich das Kind bewegte. „Warum du es behalten hast?“
„Ja.“
Er zog sie noch dichter an sich. „Ich glaube, ich weiß, warum. Maisie und Ned waren deine Familie, aber beide wurden alt, und auch wenn die ganze Stadt dich liebt, so hast du doch keine eigene Familie.“
„Selbstsüchtig, nicht wahr?“ Sie schluchzte unterdrückt.
Es brach ihm fast das Herz. „Ganz bestimmt nicht.“ Liebevoll küsste er ihren Nacken. „Ich kenne niemanden, der so selbstlos ist wie du, und du hast einem Kind so viel zu geben … vor allem Liebe, ganz viel Liebe.“
Sie entspannte sich spürbar, sagte dann aber: „Wir müssen los, ich komme sonst zu spät.“
Er küsste sie auf die Wange, stand auf und setzte sie wieder auf den Sitz. Dann glitt er hinters Steuer und ließ den Motor an. Ob es ihr jetzt besser ging?
Er hoffte es sehr. Er selbst war verwirrt und unruhig. Ganz bestimmt würde sich Neena niemals mit dem Onkel des Mannes einlassen, der ihr Gewalt angetan hatte.
„Es wundert mich nicht, dass Theo dir die Aktien hinterlassen hat. Er wollte sein Gewissen beruhigen“, stieß er hervor.
Neena warf ihm einen fragenden Seitenblick zu.
„Entschuldige“, sagte er beherrscht. „Aber ich werde wütend, wenn ich nur daran denke. Theo war ein erwachsener Mann, er wusste genau, was das Wort Nein bedeutet. Und dass er dem Baby seine Aktien übertragen hat, ist doch ein Witz, eine leere Geste. Er war jung und hat bestimmt nicht damit gerechnet, so früh zu sterben.“
„Lass uns über die Aktien reden“, sagte Neena da ruhig. „Deswegen bist du doch hier.“
„Nicht mehr“, grollte Mak. „Nichts, was unsere Familie dir geben könnte, würde dich für das entschädigen, was du erlitten hast. Die Aktien gehören dem Baby, und was du als sein Vormund damit bis zu seiner Volljährigkeit tust, ist allein deine Angelegenheit.“
„Aber ich brauche Informationen, um die richtige Entscheidung zu treffen.“
„Hast du die Briefe des Notars nicht gelesen?“
Als sie den Kopf schüttelte, seufzte er verhalten. „Gut, hier ist die Kurzversion: Meine Cousins, die ebenfalls Aktien besitzen, wollen die Firma mit einer größeren verschmelzen. Seit bekannt wurde, dass die Versuchsanlage bald in Betrieb genommen wird, ist der Kurs der Aktien kräftig gestiegen, und die Geier kreisen schon.“
In einiger Entfernung erhob sich ein Adler vom Straßenrand, in den Fängen seine Beute.
„Was für ein Timing“, meinte Neena lakonisch. „Aber sind diese Firmen
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