Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
zurück. Er hielt den Atem an, als der Kran auf dem Abschleppwagen Hänger und Wagendach anhob. Wieder kreischte Metall gegen Metall, doch dann war der Weg zum Innenraum frei. Mak sprang vor, zerrte die zerplatzten Seiten- und Frontairbags beiseite und berührte kurz Neenas bleiches Gesicht, bevor er nach ihrem Handgelenk griff, um den Puls zu fühlen.
Sie lebte!
Er zwang sich, als Arzt zu reagieren und die Angst um die geliebte Frau auszublenden. Der Fötus war höchst empfindlich gegen Schwankungen des Sauerstoffgehalts im Blut. Also presste Mak eine Sauerstoffmaske auf Neenas Gesicht. Sofort protestierten Sanitäter und Feuerwehrleute lautstark.
„Mensch, Doc, Sie können doch keinen Sauerstoff geben, während wir hier Metall schneiden! Dabei fliegen Funken durch die Gegend!“
„Dann hören Sie für ein paar Minuten damit auf, bis ich sie stabilisiert habe. Sie ist schwanger, das Baby braucht Sauerstoff. Und sie auch.“
Er überprüfte wieder ihren Puls … immer noch regelmäßig. „Neena, kannst du mich hören?“
Einer der Sanitäter trat neben ihn und wischte ihr den zähen Sirup vom Gesicht. Der Hänger hatte Fässer mit Melasse geladen, und einige waren beim Aufprall geplatzt. Die dunkle Flüssigkeit bedeckte Neena von oben bis unten, das hübsche weiße Kleid war ruiniert.
Aber ihr Puls war kräftig.
Mak ließ sich ein Stethoskop geben und horchte Neenas Bauch ab. Deutlich konnte er den Herzschlag des Babys hören. Auch einen Tritt spürte er. Der Sanitäter versuchte, ein Rettungsbrett unter Neenas Körper zu schieben, während ein anderer sich abmühte, ihr eine HWS-Schiene um den Hals zu legen.
„So klappt das nicht“, sagte er frustriert. „Hat sie lange Haare? Vielleicht hängen sie irgendwo fest.“
Mak sah ihre seidig schimmernden langen Haare vor sich. Er wusste, wie viel sie ihr bedeuteten. Aber sie mussten Neena aus dem Wrack befreien, deshalb blieb ihm keine Wahl.
„Ich schneide sie ab.“ Während er die Flechten vorsichtig mit einer großen Schere abtrennte, sprach er beruhigend auf Neena ein. „Sie wachsen wieder … alle werden dich auch so lieben … und ich sowieso …“
„Lassen Sie uns weitermachen, Doc“, sagte der eine Sanitäter ruhig, als er fertig war.
Mak zügelte seine Ungeduld und überließ die Arbeit den Experten, obwohl er Neena lieber selbst aus dem Wrack gehoben hätte.
„Unglaublich“, meinte einer, als sie sie endlich auf die Trage legen konnten. „Als ich sah, dass der Hänger halb auf dem Dach des Wagens gelandet war, dachte ich, das kann niemand überleben. Aber sie hat kaum einen Kratzer abbekommen.“
Auch innere Verletzungen schien sie nicht zu haben. Allerdings gefiel es Mak gar nicht, dass sie immer wieder ohnmächtig wurde.
„Ich fahre mit ihr“, erklärte er entschlossen, als die Sanitäter Neena in den Krankenwagen schoben.
Der ältere der beiden Männer lächelte. „Das hatte ich mir schon gedacht. Sieht so aus, als hätte Wymaralong bald wieder zwei Ärzte.“
Mak wollte widersprechen. Natürlich konnte er nicht in Wymaralong bleiben. Er war Notfallspezialist und das Leben in der Großstadt gewohnt. Aber als er einen Blick auf Neenas schmales blasses Gesicht warf, kamen ihm plötzlich Zweifel, und er sagte nichts. Der Krankenwagen fuhr los, und während Mak neben Neena saß und ihr behutsam mit einem feuchten Tuch den Schmutz von den Wangen wischte, fand er immer mehr Gefallen an dem Gedanken, Landarzt zu werden.
Oder war das voreilig?
Wie kam er darauf, dass Neena ihn überhaupt wollte?
Wegen ein paar heißer Küsse?
Sie hatte ihm nie gesagt, dass sie ihn liebte. Andererseits hatte er auch nie davon gesprochen, was er für sie empfand. Erst als der Hänger unausweichlich auf Neenas Seite zuschleuderte, da hatte er es ohne Zweifel erkannt …
Er liebte diese Frau mehr als alles andere auf der Welt.
10. KAPITEL
„Ich kann nicht im Krankenhaus bleiben, ich muss mich um meine Patienten kümmern.“
Neena war noch in der Notaufnahme im Krankenhaus von Baranock. Mak sah auf die zierliche Gestalt auf der Untersuchungsliege hinunter. Man hatte sie mit einem leichten Laken zugedeckt, aber er hatte die Schnittwunden und Abschürfungen an ihrem schlanken Körper gesehen. Ihr hastig abgeschnittenes Haar war noch mit Melasse verklebt.
„Deine Gynäkologin ist auf dem Weg hierher. Sie besteht darauf, dass du einige Tage zur Beobachtung hierbleibst. Du stehst unter Schock, das Baby hat einen kräftigen Stoß aushalten müssen
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