Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
wie sie ihren gebraucht hätte. Und sie würde nicht zulassen, dass Alessandro sich vor seiner Verantwortung drückte. Da musste er schon selbst einen Weg finden, um mit seinem Sohn eine Bindung zu schaffen.
Daher holte Nat tief Luft und durchbrach entschlossen den Bann, mit dem Alessandro sie durch seinen schönen Akzent und den tragischen Ausdruck verzaubert hatte. „Kinder brauchen auch ihre Väter.“ Damit wandte sie sich ab und ging davon. Sie musste sich selbst schützen. Alessandro und Julian waren ein wunderbares Gespann, auf das sie nur allzu leicht hereinfallen könnte.
Sie hatte sich ja kaum von ihrer letzten Beziehung erholt. Mit einem Mann, der behauptet hatte, sie zu lieben, und dennoch die ganze Zeit seiner Exfrau nachgejammert hatte. Nat kannte ihr verwundbares Herz, und es wäre wirklich töricht, denselben Fehler zweimal zu begehen.
Deshalb schaute sie auch nicht wieder zurück, obwohl sie spürte, wie Alessandros düsterer Blick sich in ihren Rücken zu bohren schien.
Als Alessandro an diesem Nachmittag seinen Sohn ausnahmsweise pünktlich vom Hort abholte, saßen Nat und Julian an einem Tischchen und legten ein Puzzle.
Es war hart, sie anzusehen und zu wissen, dass sie ihn trotz seiner Offenheit abgewiesen hatte. Alessandro war stolz. Nie wieder würde er jemanden um Hilfe bitten.
Er ging auf die beiden zu, blieb dann jedoch ein paar Meter entfernt stehen. „Komm, Julian. Wir gehen.“
Nat blickte hoch. Seine aristokratischen Züge wirkten abweisend, mit tiefen Linien der Erschöpfung, der schöne Mund freudlos zusammengepresst. Er schien sie kaum wahrzunehmen, ebenso wenig wie seinen Sohn. Ihre Abfuhr war ihm anscheinend nicht gut bekommen.
Aber er sollte seine Enttäuschung weder an ihr noch an seinem Sohn auslassen. Sie stand von dem niedrigen Kinderstuhl auf. „Julian, hol doch mal das Bild, das du heute für deinen Papa gemalt hast, ja?“
Der Junge nickte und ging mit hängenden Schultern zu seinem offenen Holzfach. Keine Umarmung für seinen Vater, kein fröhliches Gesicht bei dem Gedanken, nach Hause zu gehen. Nat merkte, dass auch Alessandro seinem Sohn nachschaute.
„Er hat ein Bild extra für Sie gemalt“, sagte sie leise.
Zwar war Julian nicht sonderlich begeistert gewesen, als sie ihm vorgeschlagen hatte, seinen Papa bei der Arbeit zu malen. Aber erst einmal dabei, hatte er eifrig daran gearbeitet, sorgfältig die Farben ausgesucht und auch den Hintergrund schön ausgemalt. Als er es ihr schließlich gezeigt hatte, hatten seine dunklen Augen voller Stolz über seine Leistung geleuchtet.
Alessandro wandte sich ihr zu. „Das ist schön.“
Sein höflicher Ton tat Nat geradezu weh, doch sie ließ sich nicht abschrecken. „Sie wollen wissen, wie Sie einen Kontakt zu Ihrem Sohn herstellen können?“, fragte sie gedämpft. „Das ist gar nicht so schwer. Lächeln Sie ihn an, berühren Sie ihn, loben Sie ihn. Zeigen Sie ihm Ihre Zuneigung.“
Jedes Wort versetzte ihm einen Stich. Wenn es doch nur so einfach wäre. Seinetwegen war Camilla tot. Konnte das durch bloße Zuneigung wettgemacht werden? Wie sollte Julian ihm das jemals verzeihen? Alessandro blieb stumm, den Kiefer zusammengepresst. Nat wusste ja nicht, was er und Julian durchgemacht hatten.
Da kam der Kleine zurück und hielt ihm das Bild hin. Alessandro nahm es, obwohl er es am liebsten beiseitegeschleudert und seinen Jungen in den Arm genommen hätte. Aber die Erinnerung an Julians steife Haltung vor ein paar Monaten war noch zu frisch. Zwei Zurückweisungen an einem Tag hätte Alessandro nicht verkraftet.
Stattdessen betrachtete er das Bild. Es war mit Kreide gemalt. Der Hintergrund in Rot und Lila wirkte fröhlich. In einer Ecke schien eine Sonne, und es gab Bäume mit Opossums. Die Einzelheiten waren erstaunlich.
Alessandro selbst stand im Vordergrund, ein Strichmännchen mit einem Stethoskop um den Hals. Der Mund ein grimmiger Strich in einem ansonsten unscheinbaren Gesicht. Ein Erwachsener, vielleicht Nathalie, hatte in ordentlicher Schrift daruntergeschrieben: ‚Mein Papa ist Doktor. Er arbeitet sehr viel.‘
Heftig packte Alessandro das Blatt Papier. Das war’s?
Nat beobachtete Julian und bemerkte daher nicht, welche Emotionen über Alessandros Miene huschten. Der Ausdruck des kleinen Jungen war herzzerreißend. Er blickte mit so viel Hoffnung und Vorfreude zu seinem Vater auf.
„Das ist wunderschön, Julian“, brachte Alessandro erstickt hervor.
Er tätschelte seinem Sohn den Kopf, und
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