Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
Unternehmungen von Julian und Alessandro zu fördern. An den Strand oder ins Kino gehen, ein Bootsausflug auf dem Fluss, Fußballspielen im Park.
Natürlich sprachen sie beim Auspacken der Umzugskartons auch miteinander, aber es war offensichtlich, dass Alessandro diese Aufgabe nicht besonders gerne in Angriff nahm. Vermutlich wegen der damit verbundenen Erinnerungen, dachte Nat. Daher hielt sie es für besser, dies nur nach und nach zu erledigen.
Dennoch, wenn sie sich jetzt im Haus umschaute, hatte sie eindeutig das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Die Gestaltung der Räume mit dem Inhalt der Kartons hatte es von einem kalten Iglu in ein warmes, einladendes Zuhause verwandelt, was durch die aufblühende Vater-Sohn-Beziehung noch verstärkt wurde.
Nat machte einen Karton auf, in dem sie weitere Bettwäsche fand. Die geheimnisvolle Camilla hatte jedenfalls einen hervorragenden Geschmack gehabt. Wäsche aus ägyptischer Baumwolle und erstklassige Daunendecken. Für Brisbane etwas zu warm, aber wunderschön.
Als Nat das nächste Laken herausholen wollte, spürte sie etwas Hartes, das darin eingewickelt war. Vielleicht eines der Fotos, die angeblich in den Kartons sein sollten? Vorsichtig schlug sie den Stoff zurück und fand tatsächlich einen Bilderrahmen. Es war ein Foto von Julian als Baby. In einem kleinen Matrosenanzug lachte er in die Kamera und streichelte mit seinen Patschhändchen eine schwarze Katze.
Neugierig griff Nat wieder in den Karton, wo noch mehr Fotos lagen. Die meisten zeigten Julian vom Babyalter bis zu seinem vierten Lebensjahr. Danach kamen mehrere Rahmen mit Alessandros akademischen Urkunden, bis schließlich nur noch zwei Bilder übrig waren. Dies mussten die Fotos sein, nach denen Nat gesucht hatte. Endlich würde sie die Frau sehen, um die Alessandro noch immer trauerte.
Seltsamerweise zögerte sie jedoch. Wollte sie wirklich sehen, wem sein Herz gehörte?
Doch dann nahm sie entschlossen das erste Bild heraus, drehte es um und erblickte ein Paar blauer Augen, das ihr auf unheimliche Weise vertraut erschien.
In diesem Moment war Nat wie erstarrt. Ihr Herzschlag setzte aus, sie bekam keine Luft, und ihr Gehirn funktionierte nicht mehr. Das Foto glitt ihr aus den Fingern. In ihrem Kopf dröhnte es so laut, dass sie nichts anderes mehr hören konnte. Es klang, als wäre sie in einem Windkanal oder mitten in einem Tornado. Ein schreckliches Gefühl von Déjà-vu lähmte sie.
Erst als sie nach Luft rang und ihr schwarz vor Augen wurde, setzte ihr Selbsterhaltungstrieb ein. Keuchend fiel sie vornüber und fing sich mit den Armen auf dem weißen Teppich ab.
Sie wusste nicht, wie lange sie dort so verharrte. Der Schmerz war kaum auszuhalten. Stunden schienen vergangen zu sein, bis Nat schließlich wieder zu sich kam. Von dem Foto auf dem Boden schaute Camilla sie mit ihren blauen Augen ruhig an. Ein kleines Lächeln umspielte ihre perfekt geschminkten Lippen, als hätte sie im Leben alles erreicht, was sie sich je gewünscht hatte.
Tränen strömten Nat über das Gesicht. Dasselbe Gesicht, das ihr von dem Bilderrahmen entgegenblickte. Dieselben weit auseinanderstehenden blauen Augen, derselbe blonde Pferdeschwanz, dieselben hohen Wangenknochen, die vollen Lippen und sogar das spitze Kinn mit dem Grübchen darin.
Fassungslos nahm sie das Foto in die Hand und starrte es an. Sie und Camilla hätten Zwillinge sein können. Die Ähnlichkeit war frappierend. Mühsam rappelte Nat sich auf. Ihr war zumute, als hätte man ihr das Herz aus der Brust gerissen. Wut, Hilflosigkeit und Verzweiflung wechselten sich in ihr ab, denn die furchtbare Wahrheit traf sie wie ein Schlag.
Sie hatte sich in Alessandro verliebt. In den Mann, der seine verstorbene Frau noch immer so sehr liebte, dass er sich eine Doppelgängerin als Ersatz gesucht hatte.
Es war genau wie bei Rob und ihrem Vater. Warum, verdammt noch mal, war sie immer nur zweite Wahl? War sie nicht liebenswert genug? Ihr Vater hatte sie wegen seiner neuen Familie verlassen, Rob war zu seiner früheren Familie zurückgegangen. Und Alessandro?
Da regte sich eine leise Stimme in ihrem Inneren: Aber was ist mit mir?
„Nat! Nat!“
Sie zuckte zusammen, als Julian aufgeregt ins Wohnzimmer stürmte, und drückte das Foto automatisch an sich.
„Daddy und ich haben Essen gekocht. Es ist von Nonna aus Roma, und es schmeckt ganz toll! Er hat gesagt, wenn es für dich okay ist, kann ich draußen mit Flo spielen. Aber danach muss ich Hände
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