Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
Situation völlig überfordert fühlte, fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Nathalie …“
Sie schloss die Augen und schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, sag nichts. Du bist mich bald wieder los.“
Er erschrak. Sie wollte gehen? „Aber deine Wohnung wird doch erst in ein paar Wochen fertig sein. Und was ist mit Giuliano? Du kannst doch nicht einfach ohne Vorankündigung verschwinden. Er liebt dich.“
Nat schnürte es die Kehle zu. Ja, sein Sohn liebte sie. Und er nicht. Trotzdem würde es ihr sehr schwerfallen, den Kleinen zu verlassen, denn sie liebte Vater und Sohn. Doch wenigstens wusste sie, dass die beiden einander hatten.
Achselzuckend erwiderte sie: „Ich sag ihm, dass eine Freundin mich braucht.“
„Und wohin willst du?“
Sie hatte keine Ahnung, sie wusste nur, dass sie hier wegmusste. „Ich weiß nicht. Vielleicht zu Paige, oder in ein Hotel. Offen gesagt ist es mir egal. Hauptsache, weit weg.“
Alessandro hielt sie am Arm fest, bevor sie davonlaufen konnte. „Bitte geh nicht. Wir brauchen dich.“
Aber Nat hatte Männer satt, die sie brauchten, aber nicht liebten. Jetzt, da sie die Liebe in all ihrer Tiefe kennengelernt hatte, war ihr klar, dass sie sich niemals mit weniger zufriedengeben könnte.
„Nein“, entgegnete sie. „Jetzt nicht mehr. Ihr zwei kommt gut alleine klar.“ Sie befreite sich aus seinem Griff, auch wenn es ihr das Herz brach.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon, und beide schauten darauf.
„Geh dran“, meinte Nat und wandte sich ab.
Alessandro ignorierte das Klingeln. „Nathalie“, rief er ihr nach.
Sie flüchtete, doch die Treppe nach oben kam ihr vor wie der Mount Everest, so niedergeschlagen und elend war ihr zumute.
Alessandro schaute ihr hinterher. Noch nie hatte er sich so ohnmächtig gefühlt. Aber sie verlangte einfach zu viel. Liebe? Wusste sie denn nicht, dass er ihrer Liebe gar nicht würdig war?
Das Telefon läutete beharrlich weiter, und ärgerlich nahm er ab. „Ja?“, sagte er gereizt.
Nat hatte ihre Sachen fast alle gepackt, als Alessandro in ihr Zimmer kam. Sie war fast blind vor Tränen, ihre Hände zitterten, und immer wieder unterdrückte sie ein Schluchzen.
„Hör auf mit dem Packen.“
Sie lachte freudlos. „Scher dich zum Teufel.“
„Das war der Chef des Teams für Infektionskrankheiten von St. Auburn. Das Baby, das wir gestern auf Sumpfgrippe getestet haben, ist positiv. Das heißt, wir stehen jetzt beide für die nächsten sieben Tage unter Hausquarantäne. Du wirst also nirgendwohin gehen.“
10. KAPITEL
Der Einzige, der sich auch nur im Geringsten über die erzwungene Gefangenschaft freute, war Julian. Da er noch nie für längere Zeit seinen Vaters ganz für sich allein gehabt hatte, empfand er dies wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern zusammen. Sogar die täglichen Nasenabstriche, die per Kurier abgeholt wurden, ließ er gut gelaunt über sich ergehen.
Die plötzlich so steife Atmosphäre zwischen Alessandro und Nat fiel ihm gar nicht auf. Er bemerkte weder ihre angestrengte Höflichkeit, noch dass sie jede Form der körperlichen Berührung sorgfältig vermieden. Nicht einmal das fehlende Lachen oder dass keine lockeren Gespräche mehr stattfanden, störte ihn in seiner glücklichen kleinen Welt.
Nat dagegen war sich all dessen in quälender Weise bewusst. In genau dem Augenblick zu erkennen, dass sie Alessandro liebte, als ihr alles entrissen wurde, war besonders hart.
Er hatte versucht, das Thema am folgenden Morgen noch einmal anzusprechen, doch sie hatte ihn frostig abgewiesen. „Lass es einfach!“
Sie wollte keine Plattheiten oder Rechtfertigungen von ihm hören. Er hatte sie mehr verletzt als ihr Vater oder Rob. Im Gegensatz zu Alessandro waren sie wenigstens von Anfang an ehrlich gewesen.
Nach drei Tagen in Quarantäne hätte Nat laut schreien können. Wenn sie nicht jung und gesund gewesen wäre, hätte sie sich womöglich Sorgen über die Schmerzen in ihrer Brust und ihre schweren Glieder gemacht. Außerdem tat ihr der Kiefer weh, weil sie ständig ein künstliches Lächeln aufsetzte, und ihre Augen fühlten sich vom nächtlichen Weinen rau an.
Ihre Mutter hätte wahrscheinlich gesagt, diese Tränen seien gesund, da sie ein notwendiger Teil des Heilungsprozesses waren. Aber Nat hätte liebend gern darauf verzichtet.
Sie wünschte sich, sie könnte mehr so sein wie Paige, deren Meinung von Männern abgrundtief schlecht war, seitdem ihr Mann sie verlassen hatte. Paige hätte sich
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