Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
davon abhalten können?“, entgegnete er trocken.
Der alte Mann schüttelte den Kopf. „Sie liest alles auf, was sie auf der Straße findet: Kätzchen, Welpen, Schildkröten, einmal sogar eine Ente, einen Rosakakadu mit gebrochenem Flügel … Wir haben sie gepflegt, zurückgebracht oder begraben. Aber ein Kamel, das geht doch zu weit! Was macht sie mit ihm, wenn es groß ist?“
„Vielleicht gibt es hier irgendwo Kamelfarmen, die es nehmen würden. Oder ein cleverer Reiseveranstalter nutzt es, um Kamelritte für Touristen anzubieten.“
„Da macht Neena nicht mit! Nein, das Vieh werden wir nie wieder los.“ Ned reichte Mak einen Becher Kaffee und deutete auf die Milch und den Zucker auf dem Tisch.
Mak spürte, dass der Alte längst nicht mehr so misstrauisch war wie gestern Abend noch. Im Gegenteil, er hatte das Gefühl, als suche Ned einen Verbündeten, der Neena zur Vernunft brachte.
„Ist sie ins Bett gegangen?“, wollte Mak wissen.
„Nur unter Protest, aber ich habe ihr gesagt, wenn sie nicht schläft, wird das Baby darunter leiden. Das wirkt immer, falls Sie sie mal überreden müssen, sich auszuruhen.“
„Und das Kamelfohlen?“, fragte Mak.
„Ist glücklich und zufrieden“, versicherte Ned ihm. „Ich habe eine Tasche mit Altkleidern vollgestopft und die Plastikflasche mit der Milchnahrung darin versteckt. Es gräbt die Schnauze hinein und nuckelt, und solange Milch kommt, vermisst es seine Mutter nicht.“
Mak schüttelte den Kopf. Es war klar, dass Ned genau wie Neena ein Herz für kranke und einsame Tiere hatte. Wirklich eine merkwürdige Zweckgemeinschaft, die sich hier zusammengefunden hatte: der weise alte Mann und die schöne junge Frau.
„Samstags arbeitet Neena immer ein paar Stunden in der Praxis“, fuhr Ned fort. „Aber sie hat noch nicht viel Schlaf bekommen. Ich dachte, Sie hätten vielleicht Lust, sie heute zu vertreten. Sie sind doch Arzt, oder?“
Sein Misstrauen war also immer noch da, der alte Mann hatte ihn nur geschickt in die gewünschte Richtung gelenkt.
„Das bin ich, und auch sehr gern, aber wird Neena nicht …“
„Etwas dagegen haben? Aber sicher! Sie wird sich beschweren, dass jemand über sie bestimmt, aber wenn wir es nicht ab und an tun, rackert sie sich noch zu Tode. Hier, essen Sie das, ehe Sie losziehen.“
Er stellte Mak ein wundervoll duftendes Omelett hin, knusprig goldbraun, mit geschmolzenem Käse, dünnen Schinkenscheiben und Tomaten.
Mak aß, duschte schnell und begab sich dann in die Praxis, wo die Sprechstundenhilfe, ein munterer Rotschopf namens Paula Gibbons, ihm die Patienten vorstellte. Jeder fragte, ob er Neenas Schwangerschaftsvertretung sei. Außerdem schwärmten alle in den höchsten Tönen von der jungen Ärztin.
Konnte ein solcher Mensch wirklich betrügerische Absichten hegen?
Oder wollte er es nicht wahrhaben, fragte sich Mak, weil er sie so anziehend fand?
Nachdem der letzte Patient gegangen war, unterhielt er sich noch ein wenig mit Paula – die Neena genauso bewunderte wie ihre Patienten – und kehrte dann zum Haus zurück. Er nahm sich vor, zur Bohrstelle hinauszufahren und mit dem Bauleiter Bob Watson zu reden.
Neena erwachte. Goldener Sonnenschein durchflutete das Zimmer, und verwirrt sah sie sich um. Sie lag nackt auf ihrem Bett, nur in einen dünnen Morgenmantel gehüllt. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie geduscht hatte.
Hatte sie oder nicht? Dann wusste sie es wieder. Ned hatte sie aus dem Stall gejagt und gedroht, sie mit dem Wasserschlauch abzuspritzen, wenn sie nicht auf der Stelle verschwand. Irgendwie hatte sie es ins Bad geschafft, sich ausgezogen und geduscht, sogar die Haare gewaschen. Dann war sie aufs Bett gesunken. Aber wie lange hatte sie geschlafen? Und was war mit ihrem Gast? Bestimmt hatte Ned ihn inzwischen vor die Tür gesetzt.
Was nur gut war, weil sie die Erinnerung daran nicht loswurde, wie seine schlanken Finger ihre streiften, als er ihr das Kamel abnahm.
Ungefährlicher war es, an das Kamel zu denken – an Albert!
Sie lächelte und tätschelte ihren Bauch, und damit Baby Singh, stellte sich dabei Alberts snobistische Miene vor, die langen gebogenen Wimpern und seine großen sanften Augen.
„Ich freue mich so, dass wir wieder ein Haustier haben“, erzählte sie ihrem Baby, während sie sich aus dem Bett mühte und begann, sich anzuziehen. Sie wollte gleich in Brisbane anrufen und sich erkundigen, wie es den Verbrennungsopfern ging. Und vielleicht schaute sie auch einmal
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