Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
so nicht vergessen“, sagte Neena mit einem warmen Lächeln, das ihm zu Kopf stieg wie schwerer süßer Wein. „Es gibt Bilder, die sich für immer einprägen.“
„Wie der herrliche Sonnenuntergang gestern Abend“, entfuhr es ihm, doch er bereute es sofort.
Neenas Lächeln verblasste. Dachte sie an ihr Gespräch? Hatte sie sich erinnert, dass er – ihrer Meinung nach – der Feind war? Was war zwischen ihr und Theo vorgefallen, abgesehen von der Schwangerschaft, dass sie eine solche Abneigung gegen ihn und seine Familie hegte? Hatte Theo ihr irgendwelche Versprechungen gemacht? Hatte er sie so verletzt, dass sie ihm nicht vergeben konnte?
Aber dann würde sie doch das Kind nicht behalten, oder?
„Gleich haben wir es geschafft“, riss Neena ihn aus seinen Gedanken. „Noch ungefähr einen Kilometer. Fahren Sie langsam, es kann sein, dass er jenseits des Zauns auf der Weide liegt. Ich beobachte meine Seite, passen Sie auf die andere auf.“
„Da ist er“, rief Mak wenige Minuten später und hielt im Schatten eines Eukalyptusbaums. Der Mann und seine Maschine lagen auf der anderen Zaunseite unter dem einzigen Baum, der dort stand. Mak blickte sich suchend nach einem Zugang zur Weide um.
„Wir steigen durch den Draht, sehen uns den Patienten an, und falls wir dichter heranfahren müssen, schneiden wir den Zaun durch. Nick hat Draht und Drahtspanner bestimmt aus meinem Wagen in diesen umgeladen.“
Mak hatte keine Ahnung, was ein Drahtspanner war. Und er kannte auch keine Frau, die das wusste, geschweige denn, damit umgehen konnte. Neena überraschte ihn jeden Tag aufs Neue.
Immerhin kannte er Stacheldraht und wusste, wie man ihn überwand. Er stellte einen Fuß auf den untersten Draht und hob den nächsten so weit an, dass Neena zuerst ihre Arzttasche auf die andere Seite stellen und danach selbst hindurchklettern konnte. Dann war er an der Reihe, aber manche Dinge waren nicht so einfach, wie sie aussahen. Sein Hemd verfing sich im Stacheldraht, und Neena musste sich vorbeugen und ihn befreien. Dabei stieg ihm schwach der Duft ihrer Haut in die Nase, und sofort regte sich in ihm ein Verlangen, das er jetzt nicht gebrauchen konnte.
Energisch packte Mak die Arzttasche und marschierte auf den Verunglückten zu, der einen ganz munteren Eindruck machte.
„Es hat wohl wieder mein Knie erwischt“, meinte der hagere Mann. „Mein Rückgrat ist okay, denn ich kann mit den Zehen wackeln, meine Finger bewegen, und mir tut auch der Nacken nicht weh. Aber das verdammte Ding rauschte so schnell zu Boden, dass ich instinktiv den Fuß ausgestreckt und mir das Bein lädiert hab.“
„Ach, Tom“, sagte Neena, bevor sie die Männer einander vorstellte und erklärte: „Vor gut einem Jahr hat Tom sich das linke Knie verletzt, als er von seinem Quad flog. In Brisbane hat man ihn dann wieder zusammengeflickt, und es ist besser gelungen, als wir alle vermutet hatten. Aber glaub mir, Tom, ich bin nicht sonderlich froh, dich jetzt schon wiederzusehen.“
Mak untersuchte das verletzte Gelenk. „Ich denke, es ist nur eine Zerrung“, meinte er schließlich. „Aber um sicher zu sein, sollte es geröntgt werden. Ultraschall wäre noch besser. Haben Sie ein Ultraschallgerät, Neena?“
„Ja, gestiftet von Hellenic Enterprises. Vor einiger Zeit kam jemand aus der Firma vorbei, erkundigte sich, was wir so bräuchten, und brachte uns dann das Ultraschallgerät.“
„Schaffen wir ihn in den Wagen und bringen ihn zurück in die Stadt?“, erkundigte Mak sich.
„Ja. Im Wagen liegt noch eine HWS-Schiene, die wir ihm vorsichtshalber anlegen sollten. Ich hole sie.“
Neena war froh, für ein paar Minuten wegzukommen. Als sie Mak vom Stacheldraht befreite, hatte sie seinen Körper berühren müssen, und ihr Herz hatte wie wahnsinnig gepocht. Sich mit Theo einzulassen, war ein großer Fehler gewesen. Ein noch größerer wäre es, sich in seinen Onkel zu verlieben.
Sie hielt Ausschau nach einem Zugang im Zaun, entdeckte aber keinen. Da sie wusste, dass er sich über eine Länge von rund fünf Kilometern erstreckte, musste sie den Draht durchschneiden.
Als sie mit dem Wagen zurückkam, hatte Mak bereits das verletzte Knie verbunden und mit einem Ast geschient.
„Heben wir ihn zusammen an“, schlug sie vor.
„Kommt nicht infrage.“ Mak beugte sich vor und hob den schlaksigen Cowboy ohne Probleme hoch. „Öffnen Sie die Tür.“
Neena zögerte einen Moment, sie war es nicht gewohnt, Befehle entgegenzunehmen. Doch dann
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