JULIA ARZTROMAN Band 26
Nase ab. „Vielleicht wollte ich auch nur, dass Mum mich wahrnimmt. Und das hat sie, wenn ich mit den Mädchen zusammen war. Sie kann sie nicht ausstehen. Was passiert jetzt?“
„Zuerst sprichst du dich mit deiner Mutter aus.“ Marco stand auf. „Falls du Hilfe brauchst, kann ich dich ins Krankenhaus überweisen, aber ich glaube, das ist nicht nötig. Ernähr dich gesund, schlafe viel, und dann sehen wir weiter. Ich hole deine Mum.“
„Arme Lizzie. Arme Carol.“ Mit nachdenklicher Miene saß Marco hinter dem Steuer.
„Sie werden es schon schaffen, sie lieben sich.“ Amy blickte aus dem Fenster. „Wo fährst du hin? Das ist nicht der Weg nach Hause.“
„Ich möchte mit dir reden.“ Er hielt auf einem kleinen Parkplatz, von dem aus man die schroffe Felsküste überblicken konnte. „Hier sind wir ungestört.“
Seufzend wandte sie sich ihm wieder zu. „Nicht noch mal das Ganze, Marco.“
„Wer sagt, dass ich das vorhabe? Mich interessiert etwas ganz anderes. Erzähl mir von deiner Kindheit.“
„Wozu? Es ist nicht gerade mein Lieblingsthema.“
„Aber du hast es erwähnt, um einen traurigen Teenager wieder aufzurichten. Verdient unsere Ehe nicht die gleiche Unterstützung?“
„Wenn wir über die Vergangenheit sprechen, ändert das noch lange nichts an der Zukunft.“
„Hilf mir, endlich zu begreifen, warum du mich verlassen hast. Wenigstens das, Amy. Nichts von dem, was du sagst, ergibt für mich einen Sinn. Deine Mutter wollte keine Kinder, gut, das habe ich verstanden. Aber was hat das mit dir zu tun? Mit unserer Ehe?“
„Meine Mutter wollte Kinder. Eigene.“
Verwundert schwieg er einen Moment. „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“
„Ich wurde adoptiert, Marco. Sie war unfruchtbar. Eine Adoption – ich – sollte das Problem lösen. Stattdessen habe ich es nur schlimmer gemacht.“
Im Wagen war es so still, dass man nur Marcos Atemzüge hörte. „Du bist ein Adoptivkind?“
„Ja. Können wir bitte weiterfahren? Mehr gibt es nicht zu sagen, und für unsere Beziehung spielt es keine Rolle.“
„Für mich schon“, grollte er und umfasste mit einer Hand ihren Nacken. „ Ti amo . Ich liebe dich. Und du liebst mich.“
Amy schluckte. „Das ändert nichts.“
„Wie kannst du das sagen! Unsere Liebe ist stark genug, um alle Hindernisse zu überwinden.“
„Nein, Marco. Du willst Kinder, ich kann dir keine schenken. Ich weiß aus Erfahrung, wie zerstörerisch das auf eine Beziehung wirkt.“
„Erzähl es mir.“ Seine Stimme klang sanft, aber der leichte Druck seiner Hand hinderte sie daran, seinem Blick auszuweichen. „Ich möchte es wissen.“
„Mein Vater wünschte sich Kinder. Meine Mutter konnte keine bekommen. Also adoptierte sie mich, um den Familienfrieden wiederherzustellen. Leider hat mein Vater mich nie richtig angenommen, und meine Mutter gab mir die Schuld daran.“
Sie versuchte, unbeteiligt zu klingen. „Wenn ich hübscher gewesen wäre, klüger oder lebhafter … die Liste war endlos. Als sie mich endlich ins Internat verfrachtete, war ich so eingeschüchtert, dass ich kaum sprach, aus Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun.“
„Oh, Liebling.“ Betroffen zog er sie an sich. „Ich hatte ja keine Ahnung. Warum hast du mir nie davon erzählt?“
„Weil ich es vergessen wollte.“
„Und dein Vater? War es ihm denn wirklich egal, was mit dir passierte?“
„Mein Vater litt darunter, dass die Ehe kinderlos war. Er fühlte sich minderwertig, in seinem männlichen Stolz beschnitten. Irgendwann fing er eine Affäre mit seiner Sekretärin an. Als sie schwanger wurde, hat er gar nicht erst versucht, es zu verheimlichen. Er hatte ein Kind gezeugt, ein Beweis seiner Männlichkeit. Kurz darauf ließ er sich von meiner Mutter scheiden und bekam noch drei weitere Kinder mit seiner neuen Frau. Für meine Mutter war jede Geburt wie ein Schlag ins Gesicht. Allerdings habe ich sie selten gesehen. Entweder hatte ich Schule, oder ich war bei meiner Großmutter hier in Penhally Bay.“
„Es ist unglaublich, dass sie nie versucht hat, eine Beziehung zu dir aufzubauen.“
„Du verstehst es immer noch nicht.“ Sie lächelte traurig. „Ich war Mittel zum Zweck. Keiner hat es gewusst, die Behörden am allerwenigsten. Meine Eltern waren die idealen Adoptiveltern … schönes Haus, gutes Einkommen, angesehene Leute. Außerdem hat meine Mutter alles in Bewegung gesetzt, um mich zu bekommen. Aber nicht, weil sie mich wollte, sondern weil sie dachte, damit
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