JULIA ARZTROMAN Band 26
Atmosphäre in der Praxis war auch nicht gerade rosig. Amy erwachte jeden Morgen wie gerädert und überlegte schon, ob sie sich in Afrika ein Virus eingefangen hätte. Marco schien auf beiden Ohren taub zu sein, wenn sie ihn daran erinnerte, dass sie in zwei Wochen abreisen würde. Nick wirkte noch unnahbarer als sonst, und Kate arbeitete zwar tüchtig und zuverlässig wie immer, aber sie war blass und lächelte so gut wie nie.
Die Erinnerung an die Szene auf dem Parkplatz in der Neujahrsnacht hatte Amy keine Ruhe gelassen. Allerdings hatten sie so viel zu tun, dass sie erst Anfang der dritten Januarwoche dazu kam, Kate darauf anzusprechen.
„Wollen wir einen Kaffee trinken?“, fragte sie, als sie Kate zum Feierabend allein erwischte.
„Jetzt?“ Sie blickte auf ihre Armbanduhr. „Mein Babysitter muss erst in einer Stunde wieder weg. Gut, warum nicht?“
Im nächsten Coffeeshop fanden sie einen freien Tisch am Fenster.
„Willst du denn wirklich Ende des Monats verschwinden?“ Kate nahm ihren Schal ab und tauchte den Löffel in den cremigen Schaum ihres Cappuccinos. „Heute rief Adam Donnelly an und hat noch einmal bestätigt, dass er zum ersten Februar anfängt.“
Amy spürte einen krampfhaften Druck im Magen. „Ja“, sagte sie. „Ich habe keine Wahl.“
„Das sehe ich anders. Eure Liebe ist stark. Stark genug, um mit allem fertig zu werden.“
„Kate, reden wir nicht über mich.“ Sie beugte sich vor und bedachte die Freundin mit einem sanften Blick. „Sag mal, wie lange liebst du Nick schon?“
Ein schmerzerfüllter Ausdruck glitt über Kates Gesicht. „Hat keinen Zweck, es abzustreiten, oder?“
„Nein. In der Neujahrsnacht habe ich euch zusammen gesehen.“
„Ach, da …“ Das Lächeln misslang ihr kläglich. „Ein schrecklicher Abend. Nick hat kaum den Mund aufbekommen.“
„Er redet nicht mit dir? Aber ihr redet doch ständig miteinander, Kate. Ich höre euch auch oft lachen.“
„Das ist rein geschäftlich. Da geht es nur um die Praxis.“
„Und du hättest es gern persönlich?“
Kate starrte in ihren Kaffee. „So einfach ist es nicht, Amy. Ich kann dir nicht alles erzählen. Aber …“ Nach kurzem Zögern hob sie den Kopf. „Ich habe mich entschieden, wegzugehen. Ich halte es nicht mehr aus, ihn jeden Tag zu sehen, neben ihm zu arbeiten … Es tut zu sehr weh.“ Sie blickte Amy in die Augen. „Außer dir habe ich bisher keinem etwas davon erzählt. Behalte es bitte für dich, bis ich genau weiß, was ich tun werde.“
„Du willst kündigen? Das kannst du nicht machen, Kate!“ Amy griff nach ihrer Hand und drückte sie fest. „Du liebst deinen Job. Du liebst die Arbeit mit Nick. Ihr seid ein großartiges Team.“
Kate zog ihre Hand weg. „Wir Frauen sollen ja besonders leidensfähig sein. Aber glaub mir, Amy, ich stoße an meine Grenzen.“
„Bist du sicher, dass Nick nichts für dich empfindet?“
„Bestimmt empfindet er etwas für mich. Allerdings wird er deswegen nichts unternehmen. Manche Männer sind so.“
„Hat er sich seit Annabels Tod mit anderen Frauen verabredet?“
„Oh ja.“ Sie lachte bitter auf. „Ziemlich häufig sogar. Alles Frauen, die an einer ernsthaften Beziehung nicht interessiert sind.“
„Weiß er, dass du wegwillst?“
„Nein.“ Kate hob die Tasse zum Mund. „Aber ich werde es ihm bald sagen. Ich muss mal etwas anderes machen. Leben, richtig leben. Und aufhören zu grübeln. Nick ist schließlich auch nur ein Mann.“
„Leider gibt es Männer, die man nicht so schnell wieder vergisst.“
„Richtig.“ Mit einem traurigen Lächeln sah Kate sie über den Rand ihrer Tasse hinweg an. „Das müsstest du am besten wissen, nicht wahr, Amy?“
„Kate hat mir erzählt, dass Adam Donnelly in einer Woche hier anfangen wird.“ Müde hängte Amy sich die Tasche über die Schulter und fragte sich, warum sie in letzter Zeit so kaputt war. „Dann habt ihr endlich eine anständige Vertretung für Lucy.“
„Du willst also wirklich gehen? Trotz allem?“
Der brennende dunkle Blick traf sie mitten ins Herz, und Amy musste sich zwingen, nach außen hin gelassen weiter zum Wagen zu gehen. „Ja.“
Sein Handy klingelte. Mit einem unterdrückten Seufzer klappte er es auf. „Marco Avanti.“ Er lauschte, wurde sehr ernst. „Wir kommen sofort“, sagte er dann.
„Was ist?“ Fragend sah sie ihn an.
Er ließ das Telefon in die Tasche gleiten. „Das war Carol. Lizzie dreht halb durch vor Kopfschmerzen und hat Ausschlag
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