JULIA ARZTROMAN Band 26
ihr nicht jemand erzählt, der St. Michael’s Mount draußen in der Mount Bay sei ein alter Vulkanschlot? Und Launceston Castle? Vielleicht war die hoch gelegene Burg auch auf den Resten eines Vulkans erbaut worden? Wie viele andere mochte es in dieser Gegend noch geben?
In der Stadtbücherei von Penhally Bay müsste sie dazu mehr Informationen finden können. Sie lag in der Nähe von Dr. Roberts’ Praxis. Und wenn sie nicht fündig würde, wäre da immer noch das Internet …
Abrupt brach der Gedanke ab. Bibliotheksbesuche und Surfen im Internet lagen außerhalb ihrer Möglichkeiten. Wahrscheinlich würde sie nie erfahren, ob es in Cornwall wirklich Vulkane gegeben hatte.
„Nein!“, stieß sie zornig hervor. Selbst wenn sie hier unten festsaß, konnte sie immer noch jemanden bitten, es für sie herauszufinden. Vielleicht wusste Young George etwas. Der Mann war vielleicht nur zur Grundschule gegangen und hatte danach angefangen, in den Minen zu arbeiten. Sein Wissen über die Bergwerksindustrie galt jedoch als legendär, und es gab kaum etwas über Cornwall, was er nicht wusste.
„Ja, das mache ich.“ Entschlossen richtete sie sich auf. „Adam soll Young George fragen, ob es in Cornwall Vulkane gegeben hat.“
Wie auf Stichwort klickte es in ihrem Funkgerät, und das vertraute Rauschen und Knacken ertönte.
„Maggie?“
Er klang müde, und sie vergaß ihre Frage erst einmal. Hatte er in der letzten Nacht Rufbereitschaft gehabt und anschließend den ganzen Tag gearbeitet, sodass er jetzt an die Grenzen seiner Belastbarkeit stieß?
„ Keresik , bist du da?“
Die drängende Frage machte ihr bewusst, dass sie noch nicht geantwortet hatte. „Wo soll ich sonst sein?“, erwiderte sie trocken. „Ich hab’s versucht mit ‚Beam mich hoch, Scotty‘, aber das Star-Trek-Teil, das gestern Morgen in meiner Cornflakes-Schachtel war, funktioniert einfach nicht.“
Sein leises Lachen drang an ihr Ohr, so als ob sie zusammen auf einem Kopfkissen lägen. Die Vorstellung wärmte sie.
„Das habe ich schon in der Schule an dir geliebt“, sagte er. „Was auch passierte, du hast dich nicht unterkriegen lassen. Dir fiel immer ein lockerer Spruch ein, und alles war nur halb so wild.“
„Diesmal tue ich mich ein bisschen schwer“, gab sie zu. „Was war vorhin bei euch los? Ich hoffe, es sind gute Neuigkeiten.“
„So genau weiß ich das nicht.“ Er war sofort wieder ernst. „Inzwischen haben sich alle möglichen Experten die alte Karte angesehen – übrigens hieß die Mine früher einmal Wheal Owl. Dummerweise haben wir jetzt ungefähr so viele Meinungen, wie Fachleute anwesend sind.“
„Ähnlich wie auf einem Ärztekongress. Haben sie sich schon irgendwie geeinigt?“
„Leider nicht. Wir wissen ja nicht, wo genau du gelandet bist. Deshalb gibt es mindestens zwei Möglichkeiten.“
„Und?“, hakte sie ungeduldig nach. Dass er nur scheibchenweise mit der Wahrheit herausrückte, war ein schlechtes Zeichen. Das mulmige Gefühl in ihrem Magen verstärkte sich.
„Beide liegen unter stellenweise massivem Granit. Wir würden eine Ewigkeit brauchen, bis wir da durch wären. Und weil sich sowohl darüber als auch darunter weichere Schichten befinden, besteht die Gefahr, dass …“
„… sie in den Stollen brechen, bevor ihr mich herausgeholt habt. Und das Ende vom Lied wäre“, sagte sie tonlos. „… dass das ganze Zeug direkt auf mir landet.“
Vor ihrem inneren Auge sah Maggie, wie Gesteinsbrocken, Staub und Erde in ihre winzige Kammer prasselten, und unterdrückte nur mit Mühe einen Aufschrei.
„ Keresik ?“, fragte er, als sie stumm blieb.
„Ach, Adam …“ Sie seufzte aus vollem Herzen. „Ihr verschwendet doch nur Zeit. Es ist unmöglich, ich komme hier nicht mehr weg. Es wäre besser gewesen, wenn ich bei dem Einsturz …“
„Nein!“, unterbrach er sie heftig, ehe sie den Satz beenden konnte. „Wir holen dich raus. Auch wenn es länger dauert, wir werden einen Weg finden!“
Wieder sprach ihn jemand an. Gerade jetzt, wenn sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit brauchte, damit sie nicht die Nerven verlor. Im Dunkeln hatte sie ihre Klaustrophobie ganz gut im Griff, aber Maggie war klar, dass nicht mehr viel fehlte, um eine furchtbare Panikattacke auszulösen.
Sie schluckte die Angst hinunter und fragte sich, wie lange sie sich noch beherrschen konnte. Sie war müde und durstig, bald käme bohrender Hunger dazu. Der letzte Powerriegel und ein Beutel Kochsalzlösung würden nicht
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