Julia Arztroman Band 62
gemustert.
In seinem schicken grauen Anzug mit weißem Hemd und passender Krawatte sah er auffallend elegant aus. Während Libby sich etwas unscheinbar vorkam, fand sie ihn für einen zwanglosen Abend leicht übertrieben gekleidet. Dennoch konnte sie nicht leugnen, dass ihr bei seinem Anblick der Atem stockte.
Seit sie Toby gute Nacht gesagt hatten und die Straße aus dem Dorf in die Berge hinauffuhren, hatten sie kaum ein Wort gewechselt.
Nathan bemerkte lediglich: „Oben auf den Bergen liegt Schnee, und die Wettervorhersage ist nicht gut. Stürmische Winde und Schneeregen ziehen herein, und sollte der sich in Schnee verwandeln, könnte das ungemütlich werden.“
„Möchtest du lieber zurückfahren?“, fragte Libby sofort.
„Nein. Ich kenne diese Straße“, erwiderte er ruhig. „Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas zustößt.“
Libby stöhnte im Stillen. Na, das konnte ja ein wundervoller Abend werden, mit diesem schlechten Wetter und Nathan, der ungefähr so gesprächig war wie einer der großen Steinblöcke aus längst vergangener Zeit, die sich entlang der Landstraße aufreihten.
Sie wusste ja nicht, wie sehr sich Nathans Magen verkrampfte bei dem Gedanken, dass der heutige Abend, auf den er so große Hoffnungen setzte, ein Fiasko wurde. Erst gestern war ihm klar geworden, dass er Libby gegenüber zu vorsichtig gewesen war. Deshalb hatte er sie zum Essen eingeladen, um ein für alle Mal reinen Tisch zu machen. Eher müsste sich also die Erde auftun und das Plateau-Hotel verschlucken, bevor er umkehren würde.
Ihr Tisch war schon vorbereitet, und als sie sich umschauten, schien es, als hätten andere Gäste lieber davon Abstand genommen, an einem solchen Abend hier heraufzufahren. Entweder sie hatten abgesagt oder bei dem Wetter gar nicht erst den Versuch unternommen.
Nathan lächelte schief. Er hatte Libby für sich allein haben wollen, und dieser Wunsch wurde ihm nun erfüllt. Allerdings nicht ganz so, wie er es sich erhofft hatte, da sie schweigend in dem leeren Restaurant aßen. Als sie danach bei Kaffee und Petit Fours in der Hotel-Lounge saßen, hatte sich die Atmosphäre zwischen ihnen nicht im Geringsten entspannt. Außer ihnen gab es hier nur einige wenige Gäste, die auf einen Drink vorbeigekommen waren, um die Kälte der winterlichen Nacht zu verscheuchen.
Das Ganze ist eine Katastrophe, dachte Libby. Sie hätte ihrem Gefühl vertrauen und Nathans Einladung ablehnen sollen. Aber bald war es ja vorbei. Denn keiner von ihnen wollte bei diesem grauenvollen Wetter hier oben festsitzen. Sobald sie ihren Kaffee getrunken hatten, mussten sie so schnell wie möglich wieder zurückfahren.
Da unterbrachen ein Schwall kalte Luft vom Hotelfoyer und die lauten Stimmen einiger Neuankömmlinge ihre Gedanken. Gleich darauf tauchten zwei Männer in der Uniform der Bergretter an der Tür zur Lounge auf.
„Ich kenne diese Jungs“, meinte Nathan. „Bevor ich zum Arbeiten ins Ausland gegangen bin, war ich Teil ihres Teams. Ich frage mich, warum sie wohl hier sind.“
Er stand auf und ging zu den beiden Männern hinüber, um mit ihnen zu sprechen.
„Wir suchen einen Freiwilligen, der mit uns in die Berge geht, weil wir heute Nacht unterbesetzt sind“, sagte der eine von ihnen. „Zwei Teenager aus einer Gruppe in der Jugendherberge unten an der Straße werden vermisst. Sie hätten schon seit Stunden wieder zurück sein sollen. Ihre Freunde meinen, dass sie weder erfahren noch gut ausgerüstet sind. Wir müssen also schnell handeln. Wie sieht’s aus, Nathan? Kommst du mit? Wenn wir die zwei finden, könnten wir vielleicht einen Arzt gebrauchen.“
„Selbstverständlich“, antwortete er. „Aber wie ihr seht, bin ich in Gesellschaft von Libby Hamilton aus der Praxis von Swallowbrook hier. Ich muss ihr erklären, worum es geht. Und was ist mit der Ausrüstung? So kann ich bestimmt nicht losgehen.“
„Das Hotel hält für solche Situationen entsprechende Kleidung bereit. Wir kümmern uns drum, solange du Dr. Hamilton die Sachlage erklärst.“
„Was ist los, Nathan?“, fragte sie besorgt, als er wieder zu ihr zurückkam.
„Zwei Jugendliche werden in den Bergen vermisst“, erwiderte er mit düsterer Miene. „Die Männer haben mich gebeten, sie zu begleiten. Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich dich einfach so zurücklasse. Aber egal, was du tust, fahr bitte nicht alleine nach Hause, ja? Sobald wir die Jugendlichen gefunden haben, komme ich sofort wieder hierher.“
Bestürzt sah sie
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