Julia Arztroman Band 62
keinen Sinn darin, hysterisch zu werden.“
Ach ja? Ihrer Meinung nach war dies genau der richtige Moment dafür. „Wieso?“ Entnervt fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar. „Wieso musstest du herkommen und alles kaputtmachen? Ich war glücklich mit meinem Leben.“
„Ich denke, wir wissen beide, dass das nicht stimmt“, widersprach er.
Ihr entschlüpfte ein erstickter Laut. Was wusste Valentino denn schon von ihrem Leben? „Willst du damit etwa sagen, dass ich lüge?“
„Ich sage nur das, was ich sehe, Paige.“
Bitter verzog sie das Gesicht. „Ah ja? Und was genau siehst du? Das wäre doch mal interessant.“
„Ich sehe eine Frau, deren Welt zusammengebrochen ist. Eine, die zwar funktioniert und ihre Pflichten erledigt, aber keine Freude am Leben hat. Ich sehe jemanden, der körperlich und gefühlsmäßig hungert.“
Paige wollte die Wahrheit in seinen Worten nicht akzeptieren. „Ich esse doch“, verteidigte sie sich aufgebracht.
„Na toll. Dein Bauch ist also voll, aber womit füllst du deine emotionalen Reserven auf?“
„Das spielt keine Rolle“, wehrte sie ab.
Valentino schnaubte geringschätzig. „Oh doch, natürlich.“
„Okay, was füllt denn deine auf?“
„Vivaldi.“ Sein Tonfall war härter als beabsichtigt. Aber die Art, wie Paige mauerte, frustrierte ihn im höchsten Maße. Etwas freundlicher fuhr er fort: „Ein Brief meiner Mutter. Der erste Augenblick, wenn ein Patient einen Klang hört. Kinderlachen. Bruschetta. Weibliche Hüften. ‚Schwanensee‘.“
Glaubte er etwa, sie hätte Zeit fürs Ballett? „Was? Keine Regentropfen auf Rosenblättern?“, gab sie ironisch zurück.
„Paige, der Punkt ist: Ich kann mich an meiner Umwelt erfreuen. Wann war das bei dir zuletzt der Fall? Wann hast du dich das letzte Mal darüber gefreut, am Leben zu sein?“
„Ach, hör doch auf“, fauchte sie. „Ich hab keine Zeit dafür, meine emotionalen Reserven aufzufüllen.“ Plötzlich wurde ihr alles zu viel, und sie ließ sich auf den Stuhl neben Valentino sinken. „Ich bin alleinerziehende Mutter eines gehörlosen Kindes. Ich habe ganz sicher keine Zeit für ein zweites Baby. Das wäre McKenzie gegenüber nicht fair.“
„Glaubst du nicht, dass sie sich über ein Geschwisterchen freuen würde?“
Paige fuhr sich über die Stirn. „Doch, natürlich. Genauso wie sie sich über ein Einhorn freuen würde. Nur leider läuft es nicht immer so, wie sie sich das wünscht.“
Er musste lachen, aber Paige fand es offenbar nicht besonders komisch.
Flehentlich sah sie ihn an. „Ich habe Angst, Valentino.“
„Ich werde da sein und helfen.“
Ungläubig blickte sie ihn an. Wie lange würde es wohl dauern, bis ein italienischer Playboy und Chirurg von internationalem Ruf es satthatte, in dem kleinen unbedeutenden Brisbane Familienvater zu spielen? Arnie hatte damals auch versprochen, ihr zu helfen.
Doch Daisy war noch keine Woche unter der Erde gewesen, als er Paige verlassen hatte. Einen solchen Vertrauensbruch, solchen Kummer, konnte sie nicht noch einmal durchstehen. Niemals.
„Und wenn du nach London zurückgerufen wirst, sobald Harry wiederkommt?“
So weit hatte Valentino noch gar nicht gedacht. „Dann kommst du eben mit.“
Der Schmerz zerriss ihr das Herz. „Nein, das werde ich nicht tun. Hier ist mein Zuhause. Es ist auch McKenzies Zuhause. Und ob’s dir passt oder nicht, uns gibt’s nur im Doppelpack. Ich will sie nicht aus allem herausreißen. Schließlich braucht sie noch jahrelange Sprechtherapie.“
„In anderen Teilen der Welt gibt es auch Sprachtherapeuten.“
Natürlich. Aber Paige hatte sich geschworen, nie wieder blind einem Mann zu folgen. „Sie vertraut den Leuten von St. Auburn. Sie hat eine Beziehung zu ihnen aufgebaut.“
Achselzuckend meinte Valentino: „Kinder können sich anpassen.“
Böse funkelte sie ihn an. „Sehe ich das richtig: Du willst, dass ich hier alle Zelte abbreche und dir mit deinem Kind rund um den Globus folge, ohne dabei auch nur einmal an uns zu denken? An unsere Beziehung? Liebst du mich überhaupt, Valentino?“
Er sah die Unsicherheit und den Ernst in ihren Augen. Er senkte den Blick. Liebe? Es war schon schwer genug, sich damit abzufinden, dass er Vater wurde. „Ich finde, das ist nicht besonders wichtig.“
Paige war entsetzt. „Wieso ist das nicht wichtig? Erwartest du von mir, dass ich dir wie ein kleiner Hund nachlaufe, in der Hoffnung, dass du dein Kind zwischen deine Arbeit und die Dates mit den
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