Julia Arztroman Band 62
Freundin gesagt hatte. Dann lachte sie. „Ach Quatsch“, erwiderte sie. Doch schlagartig wurde sie wieder ernst, und eine eiskalte Faust schien ihr den Magen abzuschnüren. Nein, auf gar keinen Fall. Das konnte nicht sein.
Nat beobachtete aufmerksam, wie sich die unterschiedlichen Gefühle auf Paiges Gesicht widerspiegelten. „Bist du sicher? Ich dachte, du und Valentino, ihr wärt vielleicht …“
„Ganz sicher“, unterbrach Paige sie. Dabei pochte ihr Herz wie wild.
Nat, die allerdings fand, dass ihre Freundin nicht sonderlich überzeugend wirkte, kramte in ihrer Handtasche. „Zufällig habe ich einen von denen hier übrig.“ Sie schob ihr einen Schwangerschaftstest über den Schreibtisch zu.
Paige sah ihn an, als wäre er eine giftige Schlange. Nein, sie durfte nicht schwanger sein! Ein Bild stieg in ihrem Innern auf: Daisys kleiner weißer Sarg, mit rosafarbenen Rosen bedeckt.
Sogar jetzt noch fühlte sie sich davon wie gelähmt.
„Du weißt, dass deine Hausärztin genau das auch zuerst testen wird“, meinte Nat. „Dann kannst du ihr die Arbeit auch ersparen.“
Sie hatte recht, das wusste Paige. Dann fiel ihr etwas ein. „Du hattest den Test also rein zufällig dabei, ja?“
Achselzuckend antwortete Nat: „Ich hab halt einen Doppelpack gekauft. Für alle Fälle.“ In ihrem Gesicht zeigte sich die Freude über ihre eigene gute Nachricht.
„Heißt das, dass man dir gratulieren darf?“, fragte Paige.
Nat nickte strahlend. „Du bist die Erste, die es erfährt.“
Obwohl ihr gar nicht danach zumute war, lächelte Paige. „Das ist ja toll, Nat.“ Sie beugte sich vor und umarmte sie. „Alessandro und Giuliano werden überglücklich sein.“
„Die werden sich ein Loch in den Bauch freuen“, bestätigte Nat. „Seit zwei Stunden versuche ich Alessandro zu erreichen, aber er nimmt nicht ab. Ich musste es einfach jemandem erzählen.“
„Ich fühle mich geehrt“, erklärte Paige lächelnd.
Sie plauderten noch eine Weile, bis der Signalton von Nats Handy ertönte. Eine SMS von Alessandro. „Er ist zu Hause.“
„Na, worauf wartest du dann noch? Los jetzt“, sagte Paige in scherzhaftem Ton. Als Nat zögerte, meinte sie: „Das meine ich ernst. Fahr nach Hause. Ich komm schon klar.“
Nat stand auf. „Aber du machst den Test, okay?“
Paige warf einen Blick darauf. Sie erinnerte sich an das letzte Mal, als sie einen Schwangerschaftstest gemacht hatte. Die Freude. Die Hoffnung. Sie schaute weg. „Ja.“
„Ich ruf dich morgen früh an und frag nach.“
Sie verdrehte die Augen. „Jawohl, Ma’am.“
Nat lehnte sich zu ihr herunter und umarmte sie schnell. „Bis morgen.“
Nachdem ihre Freundin gegangen war, kam Paige der Raum auf einmal unwahrscheinlich still vor. Sie starrte auf den Test, während ihr das Herz heftig klopfte.
Mit zitternden Fingern nahm sie die Schachtel in die Hand und drehte sie unschlüssig hin und her. Noch eine Schwangerschaft, das würde sie nicht aushalten. Nach Daisys Tod hatte sie sich geschworen, sich nie wieder so verletzlich zu machen. Neun Monate unter der ständigen Anspannung, dass irgendetwas schiefgehen könnte, das würde sie nicht ertragen.
Was wäre, wenn es noch einmal Zwillinge werden würden?
Und was war mit McKenzie? Ihre Tochter brauchte sie. Sie hatte keine Zeit für noch ein Baby, geschweige denn zwei.
„Willst du den da machen oder ihn bloß anstarren?“
Paige musste nicht aufschauen, um zu wissen, dass Valentino in der Tür stand. Er klang verärgert. Tja, da war er nicht der Einzige.
„Ich habe eine Harnwegsinfektion.“ Trotzig hob sie das Kinn.
Selbst mit dieser finsteren Miene sah Valentino so umwerfend aus, dass es ihr den Atem raubte. Sein Haar war von der OP-Kappe zerzaust, und die zwei obersten Hemdknöpfe standen offen. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, hätte es sie vielleicht sehr glücklich gemacht, ein Kind von ihm zu bekommen.
„Bist du deswegen heute die ganze Zeit aus dem OP gelaufen?“, fragte er.
„Ja“, erwiderte sie gereizt.
„Warum willst du dann den Test machen?“
Achselzuckend meinte sie: „Nur um meiner Hausärztin zuvorzukommen.“
Valentinos Herz hämmerte plötzlich wie verrückt. Vielleicht war sie ja wirklich schwanger. „Was ist, wenn der Test positiv ausfällt?“
„Das wird er nicht“, erklärte Paige.
„Und wenn doch?“, beharrte er.
„Bestimmt nicht.“
Am liebsten hätte er sie geschüttelt. Vor vielen Jahren hatte er flüchtig das Gefühl gekannt, wie
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