Julia Bestseller Band 142
netter Mensch, wenn man mir in die Quere kommt.“
Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie eine Wendung des Gesprächs verpasst hatte. „Ich werde Ihnen nicht in die Quere kommen“, entgegnete sie langsam. „Die Konten sollten beweisen, welches Potenzial in meiner Firma steckt.“
„Die Konten zeigen, dass Sie sehr beschäftigt gewesen sind.“
„Sehr.“
„Aber keinen Gewinn gemacht haben.“
Sie verzog das Gesicht. „Noch nicht.“
„Finden Sie es nicht interessant, dass Sie so beschäftigt sind und trotzdem keinen Gewinn erwirtschaften?“
„Ich vermute, das liegt in der Natur eines jungen Unternehmens. Manchmal dauert es eben etwas länger, bis man Grund unter den Füßen hat. Aber wenn Sie sich die Zahlen anschauen, müssen Sie doch erkennen, dass die Geschäfte bald sehr rentabel sein werden.“
„Ich bin mit den Zahlen gut vertraut, Miss Thacker.“ Er ließ die Geschäftsbücher auf den Tisch fallen. „Und ich habe nur eine einzige Frage.“
Eine Frage?
Sie straffte die Schultern; eine Woge der Erleichterung durchströmte sie. Mit hundert Fragen über Details ihrer finanziellen Lage hatte Grace gerechnet. Davor hatte sie sich die ganze Zeit gefürchtet. „Bitte, stellen Sie Ihre Frage.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
„Sagen Sie mir, Miss Thacker, können Sie nachts gut schlafen?“
2. KAPITEL
Warmes Sonnenlicht strömte durch die großen Fenster. Rafael beobachtete, wie Grace Thacker alles Blut aus den Wangen wich.
Dein Spiel ist aus, meine Hübsche, dachte er. Wie hatte diese Frau so naiv sein und glauben können, er würde übersehen, was in ihrer Firma vor sich ging? Nicht, dass sie sich dumm verhielt, nein, sie war sehr clever. Die Zahlen ergaben einen Sinn. Die meisten Menschen hätten die Widersprüche nicht bemerkt.
Auf den ersten Blick zeigten die Konten nur ein Unternehmen, das Anlaufschwierigkeiten hatte. Und Miss Thackers offensichtliches Bestreben, freundlich und gesprächig zu sein, war keine schlechte Strategie. Bei einem weniger zynischen Mann als ihm hätte es durchaus funktioniert. Sie wirkte engagiert, enthusiastisch und erfrischend offen.
Ein anderer Mann hätte sich erlaubt, an ihre Unschuld zu glauben.
Es war gut für ihn und schlecht für sie, dass skrupellose Frauen seine Spezialität waren. Andernfalls wäre er nie misstrauisch geworden. Café Brazil war mitnichten, was es vorgab zu sein. Grace Thacker glich in Wahrheit nicht im Mindesten der fürsorglichen großzügigen Arbeitgeberin, die sie spielte.
Dass sie ihn bat, weiterhin Geld in ihr Lügengebäude zu investieren, bewies ihm nur, was ihr fehlte: ein Gewissen.
Beim Anblick ihrer schimmernden Haare und der manikürten Nägel spürte er Wut in sich aufsteigen. Sie sah so verwöhnt und beschützt aus. Die Bedeutung des Wortes Not war ihr vermutlich unbekannt. Hatte sie irgendeine Ahnung, wie es sich anfühlte, zu frieren und zu hungern? Wusste sie, wie es war, wenn man ohne ein Dach über dem Kopf versuchte zu schlafen?
Nein, natürlich nicht. Wie sollte sie auch?
Bei ihrem schwersten Kampf im Leben ging es wahrscheinlich um die Entscheidung, welche Schuhe sie zu welchem Outfit tragen sollte.
Als sie um das Treffen gebeten hatte, wollte er im ersten Impuls ablehnen. Doch dann hatte er sich für ein anderes Vorgehen entschlossen.
Vergeltung.
Grace Thacker hatte Leben zerstört und würde noch mehr Menschen in den Abgrund stürzen. Sie sollte mit den Konsequenzen ihrer Skrupellosigkeit konfrontiert werden. Und sie sollte leiden.
Während er sie jetzt ansah, wusste er, er hatte die richtige Entscheidung getroffen. In diesem nahezu unanständig teurem Kostüm und mit Schuhen, die nur so nach Sex schrien, stand Miss Thacker vor ihm. Sie erwartete ernsthaft, dass er ihr weiterhin Geld lieh. Unfassbar.
Wie weit, fragte er sich und bewunderte dabei ihre schmalen Knöchel sowie die sanften Kurven ihrer Waden, war sie bereit zu gehen? Pech für sie, dass er sein Privatleben niemals mit Geschäftlichem vermischte. Denn seit er sie auf dem Pfad gesehen hatte, prickelte eine fast elektrische Spannung zwischen ihnen. Die Chemie stimmte.
Sie war gerade damit beschäftigt gewesen, ihren Absatz zu befreien. Was ihm einen herrlichen Blick auf einen weißen Spitzen-BH und schön geformte Brüste beschert hatte. Einen Moment wurde seine Wut von einem so unglaublich intensiven Gefühl der Lust besiegt, dass es schon fast schmerzhaft war.
Und dann sah sie ihn. Wie einen Rettungsanker
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