Julia Bestseller Band 145
Wohnzimmer – alles, was wir brauchen, um uns ungestört mit anderen Konferenzteilnehmern zu treffen. Haben Sie ein Problem damit?“
Bei ihm klang es so vernünftig, doch ja, sie hatte ein Problem …
„Grace?“
Liptons Augen wirkten genauso kalt wie sein Tonfall. Was jetzt? Sollte sie vor dem Rezeptionisten eine Szene machen? Eine Möglichkeit suchen, nach San Francisco zurückzufliegen? Einen Job riskieren, den sie erst nach zwei langen Monaten gefunden hatte, weil sie kein Empfehlungsschreiben ihres letzten Arbeitgebers vorweisen konnte?
Niemand wusste besser als sie, was es hieß, von einem rücksichtslosen, mächtigen Mann abhängig zu sein.
„Grace? Ich habe Sie gefragt, ob Sie ein Problem damit haben, mir bei dieser Reise zu assistieren.“
Sie schaute ihn an. Seine Miene wirkte verächtlich, seine Augen eiskalt. Grace holte tief Luft.
„Überhaupt nicht“, erwiderte sie höflich. „Nicht, wenn Sie es so vernünftig darstellen.“
Lipton lächelte. Ein Hai hätte bestimmt freundlicher ausgesehen.
Sie folgten dem Pagen zu einer Suite, die die Hälfte des obersten Stockwerks einnahm und einen fantastischen Blick über Strand und Meer bot.
Doch für Grace war einzig und allein wichtig, dass ihr Bad nur von ihrem Schlafzimmer aus zugänglich war und sie beide Türen abschließen konnte.
Sie tat es, sobald der Page gegangen war, und zwei Tage lang sperrte sie nur auf, wenn sie auch bereit war, die Suite zu verlassen. Sie ignorierte Liptons Vorschläge, gemeinsam einen Drink zu nehmen. Sich zu Dinner oder Frühstück zu treffen. Sie gesellte sich nur dann zu ihm, wenn sie sicher war, dass auch andere Leute dabei sein würden. Er sagte nichts, doch die Spannung zwischen ihnen wurde immer größer, und sie vermutete, dass ihm bald der Kragen platzen würde.
Einflussreiche Männer, die noch dazu glaubten, dass ihnen die Welt gehörte, gaben sich nie geschlagen. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können, dass sie in eine solche Situation geriet? Etwas Ähnliches hatte sie doch gerade erst hinter sich gebracht!
Die große Karrierechance. Der Boss, der zuerst kalt und reserviert wirkte, doch nach ein paar extralangen Arbeitstagen immer zugänglicher wurde, gefolgt von einem angenehmen Nachmittag, den man streng genommen nicht mal als Date bezeichnen konnte. Und dann … und dann …
Grace stöhnte verzweifelt.
„Lügner“, wisperte sie, während sie auf die Bettkante sank. „Lügner, Lügner, Lügner.“
Sie holte tief Luft.
Warum musste sie ausgerechnet jetzt an ihn denken? Es lag bereits Monate zurück. Ihre Affäre war genauso zu Ende gegangen, wie sie begonnen hatte – mit einer Plötzlichkeit, die sie immer noch schockierte. Nicht, dass sie noch weiter darüber nachdachte. Zumindest hatte sie ihren Stolz gerettet – indem sie ihn verließ, ehe er es tun konnte.
„Grace?“ Das Klopfen an ihrer Tür klang laut und ungeduldig. Genauso wie Liptons Stimme. „Grace. Wir haben um acht einen Termin.“ Er rüttelte am Türknauf. „Und ich bin diesen Unsinn leid! Es gibt keinen Grund, die Tür zu verschließen.“
Und ob sie einen Grund hatte, die Tür abzusperren – genauso wie es nötig war, ihre Stelle zu kündigen, sobald sie wieder in den Staaten waren. Sie würde etwas anderes finden, selbst wenn sie kellnern oder in einem Supermarkt arbeiten musste. Beides waren anständige Arbeiten, und die Leute, mit denen man zu tun hatte, waren nicht ein solcher Abschaum wie ihr Boss.
„Verdammt noch mal, Grace, kommen Sie sofort aus diesem Zimmer heraus!“
Grace glättete den Rock ihres hellgrünen Seidenkleids, griff nach ihrer Handtasche, ging zur Tür und öffnete sie.
Der Gesichtsausdruck ihres Chefs war grimmig, doch in seine Augen trat bei ihrem Anblick sofort ein glühendes Funkeln. Furcht erfasste Grace.
Irgendetwas würde an diesem Abend geschehen. Das spürte sie.
Aber es würde nicht das sein, was Lipton plante.
Egal, was es kostete, das würde es nicht sein.
Das Treffen war halbwegs in Ordnung.
Drinks mit ein paar der Konferenzteilnehmer im wundervollen Garten des Hotels. Angenehmer Small Talk, Gelächter und Diskussionen über die Meetings, die sie alle über den Tag hinweg besucht hatten.
Aber Lipton machte es zu mehr als das.
Er stand so dicht bei ihr wie möglich. Immer wieder streifte sein Körper den ihren. Seine Hand lag auf ihrem Rücken, und seine Finger berührten die ihren, wenn er ihr einen Drink reichte, um den sie ihn nicht gebeten hatte und
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